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Eine schnelle Analyse, was das Konjunkturpaket für den Verkehr bedeutet, von Iko Tönjes, VCD NRW
Was bringt das Konjunkturpaket des Bundes für den Verkehr?
Die Mehrwertsteuersenkung trifft natürlich auch den Verkehr. Ob eine Preissenkung um max. 2,5% der große „Wumms“ ist, von dem der Finanzminister spricht, ist fraglich. (2,5% ist die Spanne von 1,19 auf 1,16 des Nettopreises, und das auch nur, wenn der Handel das voll weitergibt.) Den alten Über-Konsum unterschiedslos wieder „anzukurbeln“, ist grundsätzlich nicht nachhaltig, da blieb das verkündete Klimaziel der Kanzlerin außen vor. Ein Preisbeispiel: ein Pkw für 30.000 € wird für Private um 750€ billiger, Firmenwagen (2/3 aller Neuwagen) betrifft es aber gar nicht.
Kfz-Förderung
Apropos Auto: die allgemeine Autoprämie kommt nach viel Kritik im Vorfeld (auch vom VCD) nicht, aber es wird die E-Auto-Prämie (als „Innovationsprämie“) um 3.000 Euro aufgestockt, insgesamt für 2,2 Mrd.€ (sofern sie überhaupt abgerufen werden). Dann können sich jetzt Gutverdiener billiger schicke neue Autos aus Frankreich, Japan oder USA kaufen (denn deutsche Unternehmen haben lange Lieferfristen) bzw. von der Firma bezahlen lassen, mit einem unsicheren Arbeitsplatz wird man das nicht tun.
Daneben soll die Ladeinfrastruktur plus Entwicklung der sog. „Elektromobilität“ (auf der Straße) und Batteriezellen-Produktion mit 2,5 Mrd.€ gefördert werden. (Sind „(E-)Tankstellen“ eigentlich eine öffentliche Aufgabe?) Die Kfz-Steuerbefreiung für E-Autos wird verlängert, sie zahlen auch keine hohe Energiesteuer wie fossile Kfz. – Irgendwann werden auch E-Autos für ihre Wege- und Infrastrukturkosten einen Beitrag zahlen müssen, sonst wird dem Staat viel Geld fehlen.
Zusätzlich gibt es weiteres Geld speziell für die Autobranche: Investitions- u. Forschungs-Förderung (2 Mrd.€), (E-)Flottenerneuerung für Unternehmen inkl. Bussen (1,2 Mrd. + EU-Mittel), Wasserstoffstrategie (9 Mrd.€ Förderung, Anteil des Verkehrs unbekannt, aber nicht unbedeutend), vielleicht auch Mittel aus dem Sektor Digitalisierung.
Alles in allem sind für den Kfz-Verkehr und neue Antriebe ca. 7 (+ x) Mrd.€ vorgesehen. Von den verträglicheren (und preiswerteren) Zweirädern, vom E-Roller bis zum Pedelec, ist nicht die Rede.
Außerdem wird eine stärkere Ausrichtung der Kfz-Steuer am CO2-Ausstoß ab 2021 in Aussicht gestellt. Die problematischen großen Dienstwagen wird das vermutlich wenig beeinflussen.
Der aktuelle Verfall der Kraftstoffpreise ist eine starke Gegenförderung: 20 ct./l niedrigere Preise für Benzin und Diesel gegenüber Jahresbeginn bedeuten etwa 14 Mrd.€ Entlastung bzw. „Förderung“ des fossilen Straßenverkehrs (Pkw + Lkw). Die Corona-Nachfrageschwäche könnte den Trend noch verstärken. Ob die geplante CO2-Bepreisung gegensteuern kann, ist zweifelhaft.
Für den öffentlichen Verkehr fällt auch etwas ab
Die Bahn bekommt weitere 5 Mrd., außerdem 150 Mio.€ für die Ausrüstung der Fahrzeuge mit neuem Mobilfunk. (Könnte das auch der Digitalisierung des Bahnbetriebs nutzen?) Der Bund darf aber bei der Eisenbahn nicht nur an sein eigenes Unternehmen denken.
Der ÖPNV soll 2,5 Mrd. € zusätzlich in diesem Jahr erhalten. Das entspricht etwa 20% der Einnahmen, und ist die Hälfte der von den Ländern geschätzten Einnahmenausfälle 2020 von 5 Mrd.€. Die Länder wollen einen gleich hohen Betrag bereitstellen, beschlossen ist das noch nicht. Das Bundes-Geld wird über die Regionalisierungs-Mittel verteilt, die vorrangig für den Eisenbahn-Verkehr gedacht sind, jetzt aber auch für den lokalen ÖPNV-Betrieb verwendet werden sollen. Für NRW wären das etwa 420 Mio.€ mehr.
Die Einnahmenprobleme des öffentlichen Verkehrs sind langfristig, Geld gibt es jetzt nur für das aktuelle Jahr, die weitere Zukunft bleibt unsicher, zusätzlich steigt der Aufwand. Das ist für Unternehmen wie für Fahrgäste (die häufig Wenigverdiener sind) wie für Kommunen problematisch. E-Busse werden besonders gefördert, nicht aber Schienenfahrzeuge. Neue Antriebe helfen aber weder ÖPNV-Unternehmen noch Fahrgästen bei ihren akuten Problemen. Zumindest Corona-bedingte Umbauten an Fahrzeugen und Stationen sowie Kapazitäts-Erweiterungen sollten direkt finanziert werden.
Tickets müssten wegen der reduzierten Mehrwertsteuer um geringe 2% billiger werden. Und der elektrische ÖPNV könnte von der Dämpfung der EEG-Umlage profitieren, die aber für ihn ohnehin schon stark ermäßigt ist.
Allgemeine Steuererleichterungen nutzen auch den ÖPNV-Unternehmen, sind allerdings großenteils nur Verschiebungen in Folgejahre, die für den ÖPNV kaum einfacher werden. Kurzarbeitergeld hilft der Branche wenig, da das Verkehrsangebot voll geleistet werden soll, nur eben mit weniger Kunden.
Die merkliche Entlastung der kommunalen Finanzen (Sozialkosten, Gewerbesteuer) hilft auch den ÖPNV-Unternehmen, die ihnen gehören bzw. von ihnen bezahlt werden, mehr Geld als vor der Krise für die neuen Anforderungen ist deswegen aber nicht vorhanden.
Die versprochene Entbürokratisierung der (EU-)Regeln für Planungen, Vergaben und Wettbewerb könnte gerade für den ÖPNV eine wichtige Erleichterung werden.
Eine Rahmenregelung für Beihilfen „der Länder“ an ÖPNV-Unternehmen inkl. Notifizierung bei der EU wird versprochen. Hier gilt wieder die Fiktion, Länder und Kommunen wären im „Normalfall“ alleine für den Betrieb des ÖPNV (außerhalb der Bahn) zuständig, obwohl es der Bund ist, der sowohl für klimaschonenden Verkehr als auch für gleichwertige Lebens- (und Verkehrs-) Verhältnisse im ganzen Land verantwortlich ist. Der Bund kassiert zudem fast alle Einnahmen aus dem Verkehrs-Sektor (z.B. 35 Mrd.€/J. Energiesteuer) und hat mit dem Abbau umweltschädlicher Steuer-Erleichterungen weitere Ressourcen. Deshalb ist eine wichtige Forderung, dass sich der Bund dauerhaft an der Betriebsfinanzierung des ÖPNV beteiligt.
Allgemeines und andere Bereiche
Die Schifffahrt bekommt 1 Mrd. für Kanäle, Landstrom, sauberere Antriebe etc.
Der Luftverkehr bekommt 1 Mrd. für fossile Flugzeuge. Das ist ein Schlag gegen die Nachhaltigkeit, wenn eine stark umweltschädigende Branche mit Dumpingpreisen und fast ohne Verbrauchs-Besteuerung zusätzliches öffentliches Geld bekommt. Wenn das Geld aus höherer Luftverkehrs-Steuer käme, wäre es vielleicht akzeptabel. Und: kann das wettbewerbsneutral verteilt werden?
Fazit:
Es gibt viel fürs Auto, auch viel für die (bundeseigene) Bahn, zu wenig Nachhaltiges für den ÖPNV, dessen große Probleme Ländern und Kommunen überlassen bleiben, die das aber überfordert.
Die ergänzenden Verwaltungsmaßnahmen (Planung und Vergabe, Kfz-Steuer) sind wichtig, aber noch in Arbeit.
Die konkreten Verkehrs-Maßnahmen pro E-Auto und nicht pro ÖPNV sind alles andere als sozial. Die Luftverkehrsförderung ist alles andere als ökologisch.
Hintergrund-Infos zu einzelnen Themen:
Das Konjunkturpaket im Wortlaut: https://www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Themen/Schlaglichter/Konjunkturpaket/das-konjunkturpaket.html
Umweltbonus für E-Autos: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/umweltbonus-1692646
Kraftstoffpreise: https://www.mwv.de/statistiken/verbraucherpreise/
Wasserstoffstrategie: https://www.bmbf.de/de/nationale-wasserstoffstrategie-9916.html
Klimaschutzpaket (2019): https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Klimaschutz/2019-09-20-Klimaschutzprogramm-kurzfassung.html
ÖPNV-Statistiken: https://www.vdv.de/daten-fakten.aspx
Pressemitteilungen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen: https://www.vdv.de/presse.aspx
Verkehrsministerkonferenz zum ÖPNV:www.verkehrsministerkonferenz.de/VMK/DE/termine/sitzungen/20-05-28-vmk-telko.html
VCD-Konzept „Neustart Grüne Mobilität“: https://www.vcd.org/themen/verkehrspolitik/nach-corona-neustart-in-die-gruene-mobilitaet/
EU-Wiederaufbauplan: https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/health/coronavirus-response/recovery-plan-europe_de