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Der VRR will das Ticket-Sortiment in Fahrzeugen kurzfristig (noch in 2024) stark einschränken und das Bezahlen mit Bargeld im Fahrzeug mittelfristig einstellen. Der VCD als Fahrgastverband sieht das kritisch und meint:
Im Einzelnen:
Schon in 2024 soll das Ticketsortiment „im Fahrzeug“ stark eingeschränkt werden, d.h. es sollen nur noch Einzeltickets und Fahrradtickets des VRR-Tarifs verkauft werden. Wir gehen davon aus, dass der Personalverkauf im Bus gemeint ist, nicht der Verkauf an Automaten im Fahrzeug, gesagt wird das allerdings nicht. Wichtige Tickets wie 24-Stunden-Tickets und Anschluss-Tickets (VRR-Zusatzticket, NRW-Einfachweiter-Ticket) sollen wegfallen. Diese Tickets sind ebenfalls für den sofortigen Fahrtantritt wichtig, wobei die Kaufmöglichkeit im Bus vermutlich nicht ausreichend bekannt ist und auch deshalb wenig genutzt wird. Eine nachvollziehbare Begründung für den Wegfall zum jetzigen Zeitpunkt finden wir nicht.
Kaum ein Unternehmen im VRR informiert derzeit übersichtlich, welche Tickets über welchen Vertriebsweg gekauft werden können und welche Bezahloptionen es jeweils gibt. Hier ist dringend nachzubessern, auch um so Vorverkauf und bargeldlosen Verkauf kommunikativ zu fördern.
Tages- und Anschluss-Tickets sind im Tarif nicht komplizierter als Einzel-Tickets, und der Wegfall spart keine Kosten. Menschen werden aber gezwungen, mehrmals im Bus ein Einzelticket zu kaufen statt einmal ein Tagesticket, Kunden von Zeitkarten (außerhalb des Deutschland-Tickets) haben Probleme bei der einzelnen Fahrt über den Geltungsbereich hinaus. Das ergibt keinen Sinn.
Früher war man bestrebt, den Fahrgästen vor allem im ländlichen Raum im Bus ein möglichst großes Sortiment kundennah anzubieten, bis zum SchönerTag-Ticket und zum Teil sogar Monatskarten. Denn andere lokale Vertriebsformen sind meist weit entfernt. Mit Apps und DeutschlandTicket hat sich der Bedarf inzwischen deutlich verschoben, aber eben nur teilweise. Es geht offensichtlich nur darum, den für Kunden einfachen Direktverkauf im Fahrzeug immer unattraktiver zu machen, und das trifft wieder mal vor allem den ländlichen Raum. Dabei hat der Verkauf im Bus bereits freiwillig merklich nachgelassen.
Vor einer Reduzierung der Kaufoptionen sollte erst das Sortiment der Nach-Deutschland-Ticket-Zeit grundsätzlich geklärt werden, inkl. der Preisstufen. Ein Aufschlag für den Kauf im Bus und andere Anreize sind durchaus denkbar, um den Vorverkauf weiter zu fördern. Solche zwanglosen Strategien sollten getestet werden.
Der VRR erklärt in der Beschlussvorlage für die VRR-Gremien, dass der Verzicht auf den Barverkauf im Fahrzeug grundsätzlich zulässig ist, weil die rechtlich verbindlichen Allgemeinen Befördungs-Bedingungen in §7 (4) sagen: „Die besonderen Beförderungsbedingungen können vorsehen, dass das Verkehrsunternehmen nicht verpflichtet ist, an der Haltestelle oder im Fahrzeug einen Fahrausweiserwerb mit Bargeld zu ermöglichen, sofern auf andere Weise ein Fahrausweiserwerb angeboten wird.“.
Der VCD sieht das anders. Die „andere Weise“ des Verkaufs muss zumutbar und für alle Personen zugänglich sein. Eine Verkaufsmöglichkeit in 5 km Entfernung und/oder nur zu Geschäftszeiten des Einzelhandels ist keine ausreichende Alternative, insbesondere nicht im ländlichen Raum, der hier auch wieder benachteiligt wird. Der eTarif bzw. der Kauf über eine App ist keine Alternative für alle, etwa für Kinder. Automaten und Apps sind für bestimmte Nutzergruppen (etwa Menschen mit starker Sehbehinderung, kognitiver Behinderung, eingeschränkten Handfunktionen, Analphabeten, Fremdsprachige,..) nur sehr eingeschränkt nutzbar, die Frage nach der Vereinbarkeit mit der Behinderten-Gleichstellung ist also ebenfalls zu klären. Außerdem ist das, was rechtlich zulässig ist, aus sozialer, Kunden- und Marketing-Sicht nicht unbedingt richtig.
Der VCD ist erstaunt, dass jetzt schon grundsätzlich über den ausschließlich bargeldlosen Verkaufin Fahrzeugen bis 2026 entschieden werden soll. Bisher bieten nämlich erst wenige VRR-Unternehmen überhaupt bargeldlosen Verkauf im Bus an. Der VCD fordert, dass die VRR-Unternehmen erst einmal ihre eigenen Aufgaben erledigen, nämlich den bargeldlosen Verkauf einführen und diesen auch breit kommunizieren. Es sind alle gängigen Bezahlverfahren anzubieten: Kreditkarten (Visa, Mastercard), Debitkarten (Maestro, V-pay), girocard, apple / google pay. Die möglichen Bezahlverfahren sollten auf Automaten, Fahrerterminals bzw. im Bus, in Vertriebsstellen und an Haltestellen deutlich angegeben werden. Auch eine Prepaid-Variante ist anzubieten. Erst wenn das umgesetzt und eine gewisse Zeit gelaufen ist, sollte über die Einstellung des Barverkaufs diskutiert werden.
Grundsätzlich ist bargeldloser Verkauf als Bezahloption sehr sinnvoll und für viele Menschen heute eine wichtige Option. Das wurde offensichtlich über viele Jahre versäumt und soll jetzt überhastet nachgeholt werden. Der Barverkauf beim Fahrpersonal ist aufwendig für die Unternehmen, dass der gerne abgeschafft werden soll, ist verständlich. Dass bargeldloser Verkauf generell schneller geht als Barverkauf, ist allerdings nach heutigen Erfahrungen zweifelhaft.
Zur Entscheidungsfindung über die Bezahlfunktionen gehört eine Aussage, wie viel Technik in den Fahrzeugen und im Hintergrund aufgerüstet bzw. ausgetauscht werden muss und wieviel das kostet. Die u.a. Bedingungen sind zudem einzuhalten. Wie lange dauert die Realisierung? Der Verweis auf den Vorverkauf bedeutet auch, dass mechanische oder elektronische „Entwerter“ (bzw. weniger negativ gesagt: „Aktivierer“ o.ä.) noch für lange Zeit nötig sein werden. Was bedeutet das wirtschaftlich?
Grundsätzlich sind folgende Anforderungen für einen kundenfreundlichen Vertrieb zu erfüllen, insbesondere bei einer Einschränkung der Kaufmöglichkeiten in Fahrzeugen:
Der ÖPNV ist Teil der Daseinsvorsorge und muss deshalb für alle Menschen ohne Hürden nutzbar sein. Mit der Reduzierung des Ticketsortiments vor Ort und dem ausschließlich bargeldlosen Verkauf in der Fläche wird neben der Hürde eines unzureichenden Angebots und einer unzureichenden physischen Barrierefreiheit eine weitere Barriere aufgebaut, beim bargeldlosen Verkauf z.B. für Kinder, Menschen ohne Bank-Konto, kognitiv Eingeschränkte. Wie kommen Flüchtlinge an Tickets? Der VCD appelliert an den VRR und an das Land NRW, Kundenfreundlichkeit in den Fokus des Vertrebs zu stellen..
Der eTarif Eezy ist in einigen Punkten nachzubessern, damit er eine volle Alternative zum klassischen Tarif wird. Heute ist es so, dass es mit Eezy wesentlich teurer werden kann, wenn man innerhalb einer Stadt am Tag mehrere Fahrten unternimmt, was ja eine Standardsituation ist: 4 Fahrten mit Eezy können dann z.B. 13,60 € kosten, zu zweit 27,20 €, für ein klassisches 24-Stunden-Ticket muss man nur 8,30 €, zu zweit 12,50 € bezahlen. Der Tagesdeckel von 27,40 € pro Person bemisst sich an höheren Preisstufen und greift lokal natürlich nicht. (Ein Deckel für die Einzelfahrt ist dagegen aus Sicht des VRR systemfremd und entbehrlich.) Die Werbeaussage, dass man sich mit Eezy nicht mehr um den Tarif kümmern muss, ist also irreführend. Eezy funktioniert übrigens auch nicht bei Fahrten, die im VRR-Tarif bzw. NRW-Tarif zugelassen sind, aber die Grenzen zu anderen Bndesländern überschreiten (was den VRR nicht direkt betrifft, da die Fahrt nach Venlo oder Arnheim funktioniert). Und eezy ist erst ab 18 Jahren nutzbar.
Hintergrund:
Link zur VRR-Vorlage „Tarifangelegenheiten“ für die Märzsitzungen: https://zvis.vrr.de/bi/vo0050.asp?__kvonr=7476
Die Entscheidung soll im Verwaltungsrat am 18.3. fallen, die Tarifaufsicht des Landes muss den zugehörigen Regelungen zustimmen.