Bahn & Bus
Bus und Bahn sollen für alle zugänglich sein, d.h. gut nutzbar auch für alle, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Diese sogenannte "Barrierefreiheit" ist im öffentlichen Verkehr inzwischen gesetzliche Vorgabe, muss also umgesetzt werden - fragt sich nur, wann.
Im Detail stellen sich dabei noch viele Probleme, wie sich am Beispiel der S-Bahnen an Rhein und Ruhr zeigt. Ideal wäre ein Einstieg auf einer Ebene zwischen Bahnsteig und Fahrzeug ("niveaugleich"). Bei den Fahrzeugen, die inzwischen auf den meisten S-Bahnen fahren (Baureihe 422), ist das bei Bahnsteigen von 96 cm der Fall. Nach Darstellung von DB Regio sind inzwischen rund 70 % der S-Bahnsteige auf 96 cm ausgelegt. Die Vorstellung, man könnte in den nächsten Jahren alle Bahnsteige so umbauen, haben sich aber als nicht umsetzbar erwiesen: So können auf einigen Strecken wegen des Güterverkehrs Bahnsteige dauerhaft nicht umgebaut werden. Auf Landesebene hat man sich nun entschieden, langfristig auf eine Bahnsteighöhe von 76 cm zu setzen, wie sie bei Bahnsteigen für Regional- und Fernverkehrszüge üblich ist. Damit können auch die Kosten für neue Fahrzeuge gesenkt werden.
Die Konsequenzen für die Barrierefreiheit zeigen sich derzeit besonders deutlich auf der S 5/S 8 Dortmund - Witten - Hagen - Wuppertal - Düsseldorf - Mönchengladbach. Etwa die Hälfte der 45 Bahnsteige ist 96 cm hoch, die andere Hälfte 76 cm. Bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2014 fuhren dort die Fahrzeuge der Baureihe 422, die einen niveaugleichen Einstieg bei Bahnsteigen von 96 cm ermöglichen. Seitdem sind neue Fahrzeuge der Baureihe 1440 unterwegs, bei denen dies bei 76 cm der Fall ist. Jene, die es vorher gut hatten (zumal an den stark nachgefragten Stationen im Raum Düsseldorf) sind jetzt gekniffen. Die anderen, die vorher einen Höhenunterschied von 20 cm überwinden mussten, können sich nun über einen leichteren Einstieg freuen. Problematisch erweist sich das vor allem am Bahnhof Wetter, wo viele Behinderte aus Volmarstein ein- und aussteigen wollen. Ausgerechnet deren Situation hat sich verschlechtert, was zu Protesten führte. Niveaugleicher Einstieg ist weiterhin möglich, braucht aber nun eine Rampe, die extra ausgelegt werden muss. Dafür bieten die neuen Fahrzeuge anders als die 422 nun eine Trittstufe, so dass die Gefahr, beim Ein- oder Ausstieg in den Spalt zwischen Bahnsteig und Fahrzeug zu fallen, nicht mehr besteht.
Fahrzeug 422: niveaugleich bei 96 cm Bahnsteig, auch mit Rampe (Quelle: J. Eichel)
Die Fahrzeuge der Baureihe 1440 sind nun wiederum im Inneren nicht mehr einfach durchgängig, sondern mit Stufen und Podesten versehen, was die Übersichtlichkeit deutlich einschränkt. Dafür haben sie eine Toilette. Diese könnte laut DB Regio aber auch in die Fahrzeuge der Baureihe 422 eingebaut werden. Eine von DB Regio in Auftrag gegebene Umfrage vom April 2015 zeigte im übrigen, dass beide Fahrzeuge etwa gleich gut mit rund 70 % positiv bewertet werden.
Fahrzeug 1440 (Linie S5/S8): Einstieg vom 96 cm Bahnsteig nach unten, aber mit Trittstufe (Quelle: J. Eichel)
Fahrzeug 1440 (Linie S5/S8) Einstieg mit Rampe (Quelle: J. Eichel)
Fazit: Einfach einsteigen können ist wichtig, aber gar nicht so einfach.
Aus Sicht des VCD sollte es eigentlich aber nicht schlechter werden als vorher. Wenn sich jetzt ein Übergangszeitraum von mehreren Jahrzehnten abzeichnet, bis eine einheitliche Bahnsteighöhe von 76 cm erreicht ist, müssen vorher kundenfreundliche Zwischenlösungen erreicht werden - am Bahnsteig und/oder am Fahrzeug. Aus Sicht des VCD NRW muss ein niveaugleicher Einstieg auch nicht für das ganze Fahrzeug oder den ganzen Bahnsteig gelten, solange entsprechende Hinweise gegeben werden. Die Umbauten sollten linienbezogen erfolgen. So macht es keinen Sinn, etwa auf der Linie S 6 Essen - Ratingen Ost - Düsseldorf - Köln in den nächsten Jahren andere Fahrzeuge einzusetzen oder Bahnsteige auf 76 cm umzubauen, da die meisten 96 cm hoch sind. Anders etwa bei der Linie S 2 Duisburg/Essen/Recklinghausen - Castrop-Rauxel - Dortmund: Hier sind viele Bahnsteige heute schon nur 76 cm hoch, so dass es Sinn machen könnte, hier auch entsprechende Fahrzeuge einzusetzen.