Köln
Köln
an Frau Oberbürgermeisterin Henriette Reker
Die Mitglieder der demokratischen Fraktionen und Gruppen des Rats der Stadt Köln
Den Verkehrsdezernenten Herrn Ascan Egerer
Den Vorstand der KVB AG
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu der anstehenden Entscheidung über den Ausbau der Ost-West-Achse raten wir als Organisationen und Gruppen der Kölner Zivilgesellschaft dringend zu einer oberirdischen Lösung und warnen zugleich vor einem erneuten Tunnel-Großprojekt von Stadt und KVB. Wir begründen das wie folgt.
1. Die Stadt Köln hat eine Verantwortung zur Umsetzung der Pariser Klimaziele beizutragen.
Am 09.07.2019 hat der Rat der Stadt den Klimanotstand erklärt, und damit die Verantwortung der Stadt für klimapolitisch verantwortliches Handeln anerkannt. Dies sollte u.a. umgesetzt werden durch die „Klimaeinschätzung aller relevanten Verwaltungsvorlagen durch eine Bewertung, ob die zu realisierenden Maßnahmen Auswirkungen auf das Klima haben. Alternativen mit positiven Effekten auf das Klima sollten bevorzugt werden.“
Mit diesen und diversen weiteren Dokumenten verfügt die Stadt nun über ausreichend Konzepte, Strategien und Absichtserklärungen, und es wäre Zeit, mit der Umsetzung zu beginnen. Denn einstweilen wächst in Köln der Bestand an PKW weiter, die KVB reduziert ihr Angebot und der Fahrradverkehr leidet unter einer trotz erster Verbesserungen immer noch mangelhaften Infrastruktur (ADFC Test) und wachsenden Unfallzahlen, mit in 2022 über 2.000 verunglückten Radfahrenden in Köln. Der Plan für einen Tunnel unter der Ost-West-Achse durchkreuzt all die guten Absichten. Ein Kilometer Stadtbahn-Tunnel erzeugt beim Bau knapp 100.000 t CO2. Eine solche Belastung des Klimas ist mit den Maßstäben, die sich die Stadt 2019 gegeben hat, nicht vereinbar und nicht zu verantworten. Ein Tunnel vernichtet die klimapolitische Glaubwürdigkeit der Stadt Köln.
2. Eine Tunnellösung für die Ost-West-Achse ist das Gegenteil von Verkehrswende
• Die Tunnellösung würde Jahrzehnte benötigen und im Vergleich zur oberirdischen Lösung keine zusätzliche Beförderungskapazität schaffen. Der schnellste und einfachste Weg zur Ertüchtigung der Stadtbahn auf der Ost-West-Achse ist ein oberirdischer Ausbau.
• Ein Tunnel ist zudem um ein Vielfaches teurer. Die bei solchen Projekten üblichen Kostensteigerungen stellen ein enormes finanzielles Risiko für die Stadt dar. Auch die technische Durchführung ist mit erheblichen Risiken verbunden, wie wir aus Erfahrung wissen und auch die „Ewigkeitskosten“ eines Tunnels für die Stadt sind erheblich höher.
• Haltestellen, die bis zu 29 Meter unter der Erde liegen, mit über bis zu vier Ebenen verteilten Umsteigebeziehungen sind nicht benutzerfreundlich. Die Fahrgäste benötigen viele zusätzliche Wege-Minuten und für Ortsfremde ist die Orientierung schwierig. Zudem hat die KVB über die Jahre bewiesen, dass sie das Management von Aufzügen und Rolltreppen nicht beherrscht. Wenn nun bis zu 29m tiefe Tunnelebenen geplant werden, dann gibt das Anlass zu einigen Befürchtungen. Fahrgäste wünschen sich eine KVB, die schnell, einfach und zuverlässig ist.
• Tunnelbefürworter erhoffen sich von einer Tunnellösung höhere Freiheitsgrade bei der Gestaltung der Oberfläche, z.B. auf dem Neumarkt. Diese sind sehr viel einfacher, schneller und kostengünstiger zu erlangen durch Umwidmung von Parkstreifen und Autospuren. Nicht zuletzt bindet eine solche Großbaustelle über Jahrzehnte die Personalkapazitäten und Gelder, die für die Verkehrswende an vielen Stellen in der Stadt benötigt werden. Der Ausbau der KVB in der Fläche würde um mindestens weitere 20 Jahre verschoben und die Ertüchtigung der Stadt für den Fahrradverkehr auf viele weitere Jahre in die Länge gezogen. Die Erfahrung hat uns gelehrt: Köln kann nicht gleichzeitig eine Verkehrswende umsetzen und eine jahrelange Mega-Baustelle in der Innenstadt betreiben.
3. Mit der Verkehrswende ernsthaft beginnen
Statt einer fast ausschließlichen Fixierung auf die Ost-West-Achse und des Einsatzes aller verfügbaren Ressourcen für wenige Kilometer Tunnel halten wir es für sinnvoller, in vielen überschaubaren Projekten in der ganzen Stadt eine sicht- und spürbare Verkehrswende jetzt anzugehen:
• Der so lange vernachlässigte Ausbau und die Erweiterung des Stadtbahnnetzes in der Fläche muss endlich in Angriff genommen werden. Die Prioritäten für die ausstehende Schienenanbindung der Außenstadtteile und Nachbargemeinden müssen geklärt werden (z.B. Widdersdorf, Rondorf, Neu-Brück, Langel, Leverkusen, Nachbargemeinden im Bergischen Land).
• Statt des Fokus auf die Ost-West-Achse halten wir eine systemweite Betrachtung des Stadtbahnnetzes für angebracht. Das innerstädtische Schienennetz muss durch Quer-, Ring- und Parallelverbindungen ergänzt werden, um Flaschenhalseffekte abzubauen und die erwünschten, künftig erhöhten Verkehrsaufkommen aufnehmen zu können. Dabei geht es um zusätzliche Rheinquerungen für den Umweltverbund (Schiene, Fuß- und Radverkehr) im Norden und Süden der Innenstadt, um eine Nord-Südstrecke im Rechtsrheinischen und um eine KVB Direktstrecke von Deutz über die Severinsbrücke, den Barbarossa-Platz zum Universitätsbereich.
• Verknüpfungen zwischen den Linien der KVB sowie anderen Verkehrsmitteln wie S-Bahn, Fahrrad, Fußverkehr oder Auto (Park&Ride) sind im Sinne kurzer Gesamtreisezeiten zu schaffen und zu optimieren.
• Der Ausbau von Radwegen ist in vielen kleineren, überschaubaren Projekten umsetzbar, die schnell zu nutzbaren Resultaten führen. Dafür müssen endlich genügend Personal und Gelder bereitgestellt werden.
• In den Stadtteilen müssen vermehrt Parkstreifen und Autospuren umgewidmet werden, um Platz zu schaffen für Fahrrad- und Fußverkehr und die vielen zu pflanzenden Bäume, die uns helfen werden, die Stadt für den Klimawandel und kommende Extremwetterlagen vorzubereiten.
Die Verkehrswende in Köln ist möglich. Es gibt so viele Ansatzpunkte. Doch die Aufmerksamkeit von Politik, KVB, und Verwaltung liegt woanders, bei der weiteren Untertunnelung der Innenstadt. Solange das so bleibt, wird es mit der Verkehrswende in Köln nicht vorangehen.
Fazit: Am Scheideweg - Verkehrswende oder Tunnel?
Ein Tunnel unter der Ost-West-Achse schafft keine zusätzlichen Kapazitäten, er löst keine Probleme und würde wahrscheinlich selber bald zum Problem. Wir hatten das schon in Köln. Der Tunnel kostet ein Vielfaches der oberirdischen Lösung und verschlingt den Löwenanteil der Ressourcen, die eigentlich für die Verkehrswende benötigt werden. Auch die klimapolitischen Beschlüsse des Stadtrats würden völlig unglaubwürdig.
Bitte lassen Sie diesen Irrweg hinter sich!
Nicht wenige von Ihnen warben vor der Kommunalwahl 2020 für eine Verkehrswende in Köln. Damit haben Sie viele Wähler überzeugen können. Dieses Versprechen haben Sie noch nicht eingelöst. Ein paar Fahrradwege und Verkehrsversuche sind noch keine Verkehrswende. Jetzt stehen Sie vor der definitiven Bewährungsprobe: Verkehrswende oder Tunnel? Eine Entscheidung für eine oberirdische Lösung auf der Ost-West-Achse wird den Blick frei machen für die eigentlichen Aufgaben der Verkehrswende in Köln. Sie wird Verwaltung und KVB eine Richtschnur geben, sich diesbezüglich ihren vielfältigen Aufgaben endlich zu stellen. Und nicht zuletzt wird die Stadt jede Menge Geld sparen.
Es ist an Ihnen, dies jetzt möglich zu machen!
Mit freundlichen Grüßen
Verkehrswende Aktionsgemeinschaft Kölner Verkehrswende