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VCD zum Leitbild Mobilität Bochum: Ambitionierte Ziele beibehalten und umsetzen

Der VCD begrüßt, dass die Stadt Bochum wieder ein Zielkonzept zu Mobilität und Verkehr in Angriff nimmt, nachdem dies bei der „Bochum Strategie“ bisher kaum auftaucht. Der VCD hatte im Mobilitätsbeirat der Stadt am „Strategiepapier Mobilität“ mitgearbeitet, das am Widerstand der IHK scheiterte. In dem neuen Entwurf sieht der VCD gute Ansätze, spricht sich aber strikt dagegen aus, bereits beschlossene Ziele infrage zu stellen.

 

Ein Leitbild ist allerdings unverbindlicher als ein Strategiepapier oder ein Masterplan, in den klare Ziele und Methoden zu benennen sind. Genau dies mag zwar die Absicht sein (die sprachliche Nähe zur Bochum-Strategie scheint das zu bestätigen), benötigt werden aber klare und nachvollziehbare Zielvorstellungen.
Die Überschrift „Mobil bleiben mit weniger Emissionen“ knüpft dabei an die gegenwärtige Abgasdiskussion an, greift aber insgesamt zu kurz. Neben den Zielen des Umwelt-und Klimaschutzes muss es auch um die Lebensqualität, demokratische und soziale Rechte gehen. Vorrangiges Ziel einer Bochumer Mobilitäts- und Verkehrspolitik muss es sein, allen Bürgern dieser Stadt eine gleichberechtigte Mobilität zu ermöglichen und damit die einseitige Bevorrechtigung des privaten Autoverkehrs zu beenden.
Dass dieses Ziel angesichts einer 85-jährigen autozentrierten Verkehrspolitik, die auf fast allen Gebieten tief in die Strukturen dieser Stadt (vom Einzelhandel über die Schulplanung bis zur Wertstoffentsorgung) eingegriffen hat, nicht schnell und leicht zu erreichen ist, steht außer Zweifel.
Trotzdem scheint es dem VCD notwendig und möglich zu sein, auch mittelfristig genauere Ziele – etwa im Bereich des Modal Split - zu formulieren, als dies im vorliegenden Entwurf der Fall ist.
Auf der Ebene des RVR (im regionalen Mobilitätsentwicklungsplan Ruhr) und in der Nachbarstadt Essen zum Beispiel nennt man als griffiges Ziel einen Anteil jeder Verkehrsart von 25%. Das wird kaum exakt zu erreichen sein: das Resultat wird von der verfolgten Strategie abhängen.
Auffällig ist, dass die Verwaltung daran arbeitet, die angestrebten Ziele zu verringern: hatte der Rat 2014 in der AGFS-Bewerbung für 2030 noch einen Autoverkehrsanteil von „nur“ 30% beschlossen, waren es in der Fortschreibung schon 35% und in der jetzigen Vorlage werden 40-45% angestrebt.
Der VCD hält es für unabdingbar, nicht hinter den Ratsbeschluss zurückzufallen, zumindest aber die in der AGFS-Bewerbung von 2016 genannten modal-split-Ziele für 2030 beizubehalten. .
Mittel- bis langfristig sollten sollten die oben genannten Ziele des regionalen Mobilitätsentwicklungsplanes von je 25% angestrebt werden und aktuelle Planungen bereits heute darauf ausgerichtet werden.
Das 25%-Ziel bedeutet ungefähr Halbierung des Autoverkehrs, Verdoppelung des ÖPNV-Angebotes, Vervielfachung des Radverkehrs.
Diese Ziele sind keinesfalls unrealistisch: MIV-Anteile von 25% oder weniger und ÖV-Anteile von weit über 30%sind in Schweizer Großstädten schon längst Realität, Fahrradanteile von über 25% gibt es längst in den Niederlanden und Dänemark.
Dazu wird es auch notwendig sein, Werkzeuge finanzieller und planerischer Art zu benennen, mit denen solche Ziele zu erreichen sind. Dabei geht es auch um eine solide Finanzierung des Umweltverbundes und Abbau der der Subventionierung des privaten Autoverkehrs.
Gänzlich fehlt der Aspekt, dass Bochum als Teil des Ruhrgebietes mit den Nachbarstädten auch verkehrlich eng verknüpft ist und seine Ziele und Strategien unbedingt mit den Nachbarn und dem RVR wird abstimmen müssen.
Nach der Verabschiedung des Leitbildes wird es notwendig sein, die einzelnen Teile des „Mobilitätskonzeptes“, z.B. das Klimaschutzkonzept Verkehr, zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Durchaus sinnvoll scheint es dem VCD auch zu sein, die Diskussion um das Leitbild Mobilität mit der um den „Green City Plan“ zu verknüpfen. Es ist jedoch zu bedenken, dass ein Leitbild eine längere und breitere Perspektive zu enthalten hat und keineswegs als Teil einer kurzfristigen Strategie zur Vermeidung von Fahrverboten dienen kann.
Der VCD freut sich jedenfalls auf eine konstruktive Diskussion. Dabei halten wir es wichtig, die positiven Möglichkeiten einer neuen Verkehrspolitik hervorzuheben. Die Vorlage wirkt oft unnötig verzagt.
Generell fällt auf, dass die Verkehrsarten oft in der Reihenfolge MIV-ÖPNV-Rad-Fuß behandelt werden. Es hat sich inzwischen zu Recht eingebürgert, logischerweise mit dem ursprünglichen Verkehrsmittel, dem Gehen zu Fuß zu beginnen und die anderen Verkehrsmittel in umgekehrter Reihung folgen zu lassen.
"Zielbild Bochum 2030": Neben Klimaschutz und Verkehrssicherheit sollten auch die Ziele Umwelt- und Gesundheitsschutz betont werden.
„Bochum als lebenswerte Stadt etablieren“, „Gleiche Mobilität mit weniger Autoverkehr“:
Ziel muss sein, vielen Bürgern, besonders denen, die kein Auto besitzen (wollen), überhaupt erst eine gleichberechtigte Mobilität zu ermöglichen. Die „Mobilität von heute“ ist ungerecht und muss verändert werden.
Wichtig ist auch der Aspekt der Verkehrsvermeidung, der hier zu kurz kommt.
„Mobilität muss bezahlbar bleiben“: die Stadt Bochum sorgt für eine angemessene Finanzierung der einzelnen Verkehrsarten. Das heißt, dass die sichere und ausreichende Finanzierung des ÖPNV durch neue Methoden gesichert wird. Straßenbaumittel sind zugunsten des Umweltverbundes umzuverteilen, der MIV wird stärker als bisher zur Bezahlung seiner Kosten herangezogen.
„Strategische Ziele für 2030“: Ein bestimmter Modal Split kann sehr wohl angestrebt werden, ohne dass er dann aber punktgenau erreichbar sein wird. Dabei ist besonders die bundesrepublikanische Verkehrsplanung weiterhin eher auf die Interessen der Automobilbranche ausgerichtet, was die Arbeit in den Kommunen zusätzlich erschwert. Trotzdem sind die genannten Modal-Split-Ziele zu zögerlich. Das ungünstige Ausgangsniveau in Bochum und eine immer noch vorhandene „Autostadt“-Mentalität ist unbestritten. Deshalb wird es sicherlich auch Mut erfordern, nicht nur die Förderung des Umweltverbundes, sondern auch die notwendigen Restriktionen des MIV einzuleiten.
„Integrierte Verkehrs- und Stadtplanung“: erforderlich ist die Überplanung und Neuaufteilung des Straßenraumes, die mehr als bisher die Interessen besonders der Fußgänger berücksichtigt und auch Räume der Begegnung schafft, vorrangig von außen nach innen.
„Motorisierter Verkehr“: der Umstieg vieler Bürger auf den Umweltverbund darf nicht zum Ziel haben, den MIV flüssiger zu gestalten. Im Gegenteil sind Restriktionen durchaus sinnvoll, um eine Verlagerung zu fördern. Wirksames Mittel ist, wie schon genannt, die Parkraumpolitik. Es gibt keinen Anspruch auf Parkplätze im öffentlichen Raum, schon gar keine kostenlosen. Die Beeinträchtigung des öffentlichen Raumes durch das Parken findet nicht nur im Innenstadtbereich, sondern fast überall statt.
Es wäre eine sinnvolle Aufgabe, einmal den „notwendigen Autoverkehr (Wirtschaftsverkehr, Behinderte, Ver- und Entsorgung usw.) zu definieren und besonders zu berücksichtigen.
„Öffentlicher Personennahverkehr“. Der Anteil von 16% ist für eine Stadt mit ländlichem Umland normal, für eine Stadt in einer Metropolregion liegt er recht niedrig. Wichtig sind deshalb Maßnahmen zur Verbesserung des Angebotes, durch Ausbau des Schienennetzes, aber auch zur Erhöhung der Pünktlichkeit (Ampelvorrang, Busspuren). Hinzu kommen sollten Aktionen zur Erhöhung des Sozialprestiges des ÖPNV (der OB fährt Bus statt Dienstwagen?).
„Radverkehr“: als Maßnahmen sind z.B. die Einrichtung von Fahrradparkhäuschen und die Einrichtung von Fahrradstraßen zu nennen.
„Fußgängerverkehr“: die Bedeutung des Fußgängerverkehrs ist noch wesentlich höher als die Statistik erkennen lässt. So enthält fast jeder dem ÖPNV zugerechnete Weg auch zwei Fußwege. Gehen sollte attraktiver gemacht werden, etwa durch Schaffung von Querungshilfen und längeren Grünphasen an Lichtsignalanlagen.
Ein wichtiges Instrument, die im Leitbild genannten Ziele zu erreichen, ist ein Mobilitätsmanagement insbesondere mit KIndergärten, Schulen und Betrieben. Einen besonderen Stellenwert nimmt das betriebliche Mobilitätsmanagement ein. Dieses soll in den nächsten Jahren verstärkt werden in Zusammenarbeit mit wesentlichen Akteuren wie IHK, Handwerkskammer und weiteren Verbänden. Hier besteht ein großes Potenzial, das es auszuschöpfen gilt. Die Stadtverwaltung sammelt hier weitere Erfahrungen, um mit gutem Beispiel voran gehen zu können.

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