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Landesverband NRW
Iko Tönjes, langjähriger ÖPNV-Abonnent und Sprecher des VCD NRW, hat einen offenen Brief zum 9-Euro-Ticket geschrieben.
Schade, dass es bei dem 9-Euro-Ticket eher um Ausflugsschnäppchen geht und nicht um einen nachhaltigen Anreiz zum Umsteigen. (Eine Freibierrunde ist auch keine Förderung der Gastronomie.) Wie wäre es stattdessen mit halben Preisen für BahnCards?
Schade, dass es keine besondere finanzielle Anerkennung für treue ÖPNV-AbonnentInnen gibt, die trotz Corona-Einschränkungen ihr Ticket behalten haben. Jetzt droht ÖPNV-Stammkunden stattdessen Überfüllungsstress im Sommer. (Nur IC-Reisende können sich auf leere Züge freuen.) Sinnvoller wäre es, für alle alten (und neuen) Abos, und nur für die, eine dauerhafte Klimaprämie von z.B. 20 Euro pro Monat zu zahlen. Es geht um DauerkundInnen, nicht um einmalige 9€-Ticket-Käufer. E-Auto-Käufer bekommen ja eine Prämie, und der ÖPNV fährt zu 2/3 auch elektrisch.
Schade, dass nicht an Menschen auf dem Land gedacht wird. Wo nur zweimal am Tag der Bus kommt, nützt ein Billigticket gar nichts. (Und genau dort sind Zeitkartenpreise häufig besonders hoch.) Da wären bundesweit viele neue Schnellbuslinien nützlicher, auch wenn das länger braucht. Darauf warten wir aber gerne.
Schade, dass Tickets verramscht werden anstatt Leistung und Qualität nachhaltig anzuheben. So erscheinen die normalen Preise hinterher noch stärker als überteuert, und ob Bahnen und Busse im Ausverkaufschaos und in der Baustellen-Saison positiv erfahren werden, ist fraglich.
Schade, dass das Ticket so hektisch eingeführt wird, obwohl aktuell die ÖPNV-Preise gar nicht steigen. Noch ist es nicht einmal politisch endgültig beschlossen, da müssen schon der Verkauf organisiert und Zusatzangebote überhastet geplant werden. Sehr viel bürokratischer Aufwand für Verkaufssysteme, Abrechnung, Betrieb etc. wird erzeugt, und das für gerade einmal 3 Monate, dann wird alles wieder runtergefahren. Wieviel von den zusätzlichen Kosten bei den Verkehrsbetrieben hängenbleibt, ist noch ungeklärt.
Schade, dass die Zukunft des ÖPNV unsicher bleibt. In den nächsten Jahren drohen viele Kostensteigerungen: Energie- und Personalkosten, Sanierung der Anlagen, Umstieg auf Elektroantrieb, Barrierefreiheit, bleibende Corona-Folgen,.. Werden die Preise dann stark steigen oder müssen Verkehrsbetriebe Fahrten einsparen? ÖPNV- AbonnentInnen sehen noch keine positive langfristige Perspektive. Jetzt muss dringend die Neuordnung der Finanzierung des ÖPNV mit bundesweiten Mobilitätsgarantien angegangen werden – wie im Koalitionsvertrag der Ampel versprochen.
Und besonders schade ist, dass parallel die Bundesregierung den Benzinverbrauch direkt belohnt – je dicker das Auto und je höher die Geschwindigkeit, umso mehr Tankrabatt gibt es. Das können wir für Klimaschutz und Energiesparen wirklich nicht gebrauchen. Und nicht einmal ein kleiner ökologischer Ausgleich etwa in Form eines Tempolimits ließ sich anscheinend gegen die Auto-Hardliner der FDP durchsetzen. Es hätten sich sicher verbrauchsneutrale Entlastungen finden lassen, oder sogar Anreize für sparsames Fahren, Mitfahren, emissionsarme Autos. Übrigens steigen auch Strompreise für E-Autos wie für Bahnen stark.
Schade, dass es bis zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik noch ein sehr weiter Weg ist.
Ich hätte mir gewünscht, dass „die Politik“ noch einmal sorgfältig nachdenkt und vielleicht sogar vorher Fachleute fragt, bevor sie 2,5 + 3,2 + x Milliarden Euro raushaut.
Auch wenn ich als Abo-Kunde jetzt selber Geld spare, gibt es von mir keinen Beifall für das 9-Euro-Ticket.
Gez. Iko Tönjes