Nordrhein-Westfalen

NRW, Verkehrspolitik, Bahn & Bus, Auto & Straße
Landesverband NRW

Umweltziele würden wieder verfehlt - VCD NRW zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans

Mehr Verteilung der Mittel nach Bedarf, mehr Beseitigung von Engpässen, mehr Erhalt vor Neubau - der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 enthält aus Sicht des VCD NRW durchaus positive Elemente. Tatsächlich werden aber die eigenen Umweltziele nicht erreicht, mit allein über 500 geplanten Ortsumfahrungen soll die verfehlte Straßenbaupolitik der Vergangenheit fortgesetzt werden, viele Schienenprojekte wurden noch gar nicht bewertet.

Stellungnahme des VCD NRW zum BVWP 2030

2.5.2016

Vorbemerkung zum Verfahren

Das BMVI schließt eine Stellungnahme per Email aus und will nur Eingaben per Online-Formular oder Briefpost zulassen. Eine sachliche Begründung für diese Einschränkung gibt es nicht. Emails sind genauso bearbeitbar wie Papierbriefe, sogar besser, da sie leichter weiterzuleiten und Textelemente leichter verwendbar sind, zudem für den Nutzer schneller und preiswerter. Das Online-Formular ist insbesondere für den institutionellen Nutzer aufwendiger auszufüllen als eine informelle Stellungnahme, zudem weist das BMVI selbst darauf hin, dass es aus technischen Gründen nicht sicherstellen kann, dass termingerecht abgeschickte Online-Formulare auch termingerecht ankommen. Wir gehen deshalb davon aus, dass auch die per Mail übermittelte Stellungnahme berücksichtigt wird und bitten um eine entsprechende Information.

Außerdem halten wir die 6-Wochen-Frist für Stellungnahmen zum Gesamtplan mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen  für keine „ausreichende Frist“ im Sinne des § 14i (3) des UVP-Gesetzes, wenn schon für Einzelprojekte eine Mindestfrist von einem Monat vorgesehen ist. Eine ressortinterne Abstimmung innerhalb der Bundesregierung hat noch gar nicht stattgefunden und für eine Vielzahl von Schienenprojekten liegen noch gar keine Bewertungen vor, weshalb diese bislang nur im "potentiellen Bedarf" auftauchen. Vor diesem Hintergrund spricht sich der VCD NRW dafür aus, dass nach der Erstellung des modifizierten Planentwurfes eine weitere Beteiligungsrunde auch für die interessierte Öffentlichkeit durchgeführt wird.

Allgemeine Stellungnahme

Der VCD nimmt die offiziellen Ziele der Bundesverkehrswegeplanung ernst: Vorrang für Erhalt (Substanzerhalt), Vorrang für hohe Gesamtnetzwirkung, integrierte verkehrsmittelübergreifende Planung, Vermeidung von hohem Flächenverbrauch und Zerschneidungswirkungen (insbes. für besonders wertvolle Naturflächen), Beitrag zur Erreichung der Klima- und Luftqualitätsziele, merkliche Lärmminderung.

Als positiv .wertet der VCD NRW die verstärkte Verteilung der Mittel nach Bedarf und die Berücksichtigung der Beseitigung von Engpässen, angesichts der Probleme ist dies aber immer noch zu wenig: So braucht es etwa mehr Mittel für den Ausbau der Bahnknoten.

Als positiv wertet der VCD NRW den verstärkten Erhalt vor Neubau, aber die Verteilung der Mittel ist nicht festgelegt, so dass die tatsächlichen Ausgaben am Ende ganz anders aussehen können, wenn Prioritäten politisch doch wieder zugunsten Neubau gesetzt werden.

Offensichtlich werden aber die Umweltziele vom Planentwurf nicht erreicht, wie die Stellungnahme des Umweltbundesamtes belegt: "Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes (BVWP) verfehlt elf der zwölf im eigenen Umweltbericht gesetzten Ziele.“ Die CO2-Entwicklung durch den BVWP passt nicht zu den Klimazielen der Bundesregierung, der Flächenverbrauch liegt weit über dem vom Bund selbst vorgegebenen Maß. Wir sind erstaunt, dass die Umweltfachbehörden anscheinend nicht in die Erarbeitung des Entwurfs ausreichend einbezogen wurden. Der VCD kann die fachlichen Feststellungen des UBA zur Nichterreichung der Umweltziele nur wiederholen.

Eine zielorientierte Bundesverkehrswegeplanung müsste Umwelt- und Verkehrsziele vorgeben,  Verkehrsverlagerungen und –reduzierungen anstreben, Straße und Schiene gemeinsam in Korridoren planen, sich auf überregionale Korridore konzentrieren, ein Gesamt-Mobilitätskonzept entwickeln und umsetzen. Ansätze hierzu sind in der Grundkonzeption zum BVWP vorhanden, siehe auch Szenario 3. In der realen Projektbewertung spielen diese Überlegungen dann allerdings offenbar keine Rolle.

Grundsätzlich hat der Ausbau von Straßen mit neuen Spuren weniger gravierende Auswirkungen auf die Umwelt als ein Neubau. Allerdings ist zweifelhaft, ob so die globalen Umwelt- und Verkehrsziele erreicht werden können. Es  stellt sich die Frage, ob globale Klimaprogramme und lokale Luftreinhaltepläne, Verkehrsverlagerungen zur Schiene, Telematik-Anwendungen zur besseren Ausnutzung der vorhandenen Straßen und Fahrspuren(Optimierung des Routings, automatisches Konvoi-Fahren), Reduzierung im individuellen Personenfernverkehr durch E-Mobilität, Änderungen bei Steuern und Abgaben im Verkehrssektor (Maut / Trassenpreise, Klimaabgaben / Emissionshandel,..) neue Fahrspuren überflüssig machen können. Für uns ist nicht erkennbar, dass diese zu erwartenden und zu verstärkenden Trends in den Bedarfsprognosen ausreichend Berücksichtigung gefunden haben.

Der Entwurf des BVWP enthält allein über 500 Ortsumfahrungen - die im Wesentlichen dem Nah- und Regionalverkehr dienen. Bei der Schiene werden vergleichbare Projekte abgelehnt mit dem Verweis auf die Zuständigkeit der Bundesländer für den SPNV. Der VCD hält diese Ungleichbehandlung für verfehlt. Entweder müssten die meisten Ortsumfahrungen aus dem BVWP herausgenommen werden, oder aber es müssten auch zumindest überregional bedeutsame Schienenprojekte ermöglicht werden, ebenso Radschnellwege. Ortsumfahrungen haben zudem neben einer gewissen Entlastungswirkung in der Orts-Durchfahrt erhebliche negative Umwelt-Auswirkungen auf die unmittelbare Umgebung des Ortes in Bezug auf Flächenverbrauch, Zerschneidung, Lärm. Die CO2-Belastung wird durch den umgeleiteten und durch induzierten Verkehr erhöht, was den deutschen Klimazielen widerspricht. Ortsumfahrungen für wenige Tausend Fahrzeuge pro Tag bzw. allgemein Straßenprojekte, deren Notwendigkeit vor Ort bzw. in der Region gar nicht gesehen wird bzw. die durch andere realisierte Planungen längst überholt sind und aus der Region bzw. Bundesland gar nicht gemeldet wurden, sollten nicht weiter verfolgt werden.

Der VCD NRW sieht eine nicht ausreichende Berücksichtigung von Alternativen: den Ausbau der parallelen Bahnstrecke (die zwar formal zum SPNV gehört – wie auch ein wesentlicher Teil des betrachteten Straßenverkehrs – aber in diesem Fall als Alternative mit zu bewerten ist), innerörtliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung (Temporeduzierung),  Lärmminderung (Flüsterasphalt), Verkehrsmengensteuerung (Pförtnerampeln zur Verlagerung etwaiger Staus auf die Außerortslage). Globale Rahmensetzungen für den Verkehr wie schärfere Umweltgrenzwerte für Kfz, Straßenbenutzungsgebühren und Klimaabgaben, steuerliche Entlastung und Reduzierung von Trassenpreisen für den Schienenverkehrs (Angleichung der Wettbewerbsbedingungen) u.a. sind flankierend nötig, um ausreichende lokale Entlastungen in der Ortslage wie auch das Erreichen der Globalziele zu gewährleisten.

Als völlig indiskutabel sieht der VCD NRW, dass im krassen Widerspruch zu allen jahrelangen und umfangreichen Debatten und Beteiligungsprozessen um Klimaschutz und Nachhaltigkeit die Mittelverteilung nach dem Szenario "Status Quo" erfolgen soll. Wenn das so umgesetzt würde, würde entgegen allen propagierten Klimaschutzzielen die verfehlte Priorität für weiteren Straßenbau fortgesetzt. Der VCD NRW fordert daher mindestens eine Mittelverteilung nach dem Szenario 3, was auch noch rund 40 % für die Straße, aber immerhin gut 60 % für Schiene und Wasserstraße zur Folge hätte.

Im Folgenden nehmen wir exemplarisch zu einigen Projekten Stellung.

Bereich STRASSE

Neubau der A1 Blankenheim – Kelberg (Eifelstrecke) (Projekt A001-G10-NW-RP)

Das Umweltbundesamt fordert aus umweltfachlichen Gründen den Verzicht auf diese Strecke, der BUND hat eine Planungsalternative vorgelegt.
Die Notwendigkeit dieser Strecke ist zu bestreiten, große Steigerungen des Verkehrsaufkommens sind nicht zu erwarten, die prognostizierten 17.000 Kfz rechtfertigen keinen vier-streifigen Autobahnbau. Der hohe berechnete Nutzengewinn ist nicht nachvollziehbar. Der Bau gefährdet mehrere FFH-Gebieten und die Naturlandschaft, die ökologisch und touristisch wertvoll ist.

Neubau der A46 Hemer - Neheim (Projekt A46-B7-G41-NW-) und obere Ruhrtalbahn (Projekt Schiene 1-006)

In der Projektbeschreibung wird bereits auf eine Alternative mit Ausbau der Bundesstraßen verwiesen. Der BUND hat die sog. Null-Plus-Variante vorgeschlagen. Der VCD unterstützt kleinere Ausbauvarianten in diesem Sinne. Eine überregionale Verbindungsfunktion, die eine Autobahn benötigen würde, ist nicht gegeben. Durch den kleineren Ausbau würden die sauerländische Landschaft und Naherholungsgebiete von zusätzlicher Verkehrsbelastung verschont. Der Ausbau der oberen Ruhrtalbahn sollte eine notwendige Ergänzung sein.

A52 Essen-Nord – Gelsenkirchen Buer (Projekte A52-G70-NW und A52-G60-NW)

Der Ausbau der A52 wurde in Gladbeck per Ratsbürgerentscheid abgelehnt. Das sollte respektiert werden. Die Bürger befürchten Verkehrszunahme und Umweltbeeinträchtigungen in diesem dichtbesiedelten Raum. Gerade im Ruhrgebiet sind Verlagerungen auf Schiene, Rad etc. besonders gut möglich, das wird aber in der Bewertung nicht ausreichend berücksichtigt. Ausweichverkehr in Wohngebiete kann durch entsprechende verkehrsregelnde Maßnahmen verhindert werden.

B 64 (Projekt B64/B51-G10-NW, Ortsumfahrungen Warendorf, Beelen, Herzebrock-Clarholz)  und Bahnstrecke Münster-Rheda (Projekt 1-138)

Dieses Projekt kann als negatives Beispiel für die nicht erfolgte verkehrsträgerübergreifende Betrachtung gelten: Verbesserungen auf der parallel laufenden Bahnstrecke Münster - Bielefeld wären dringlich (Beseitigung von Bahnübergängen etc.), werden aber abgelehnt mit dem Argument, das diene ja nur dem Nahverkehr; tatsächlich trifft dies für diese eher kleinteilige Ortsumfahrung genauso zu. Auch nach Realisierung der offiziellen Planung würden in Warendorf ca.10.000 Kfz/Tag die Ortsdurchfahrt nutzen, da sie ihr Ziel bzw. ihre Quelle dort haben. Die Verkehrsstärke liegt außerhalb von Warendorf bei unter 10.000 Kfz/Tag.
Zu einer besseren Alternative gehören neben der o.g. Verlagerung von Verkehr auf die Schiene innerörtliche Umbauten und verkehrsregelnde Maßnahmen, um die Belastung zu reduzieren.

B 56 Rurschnellweg (B56-G10-NW)

Der vierspuriger Ausbau Düren - Jülich kann als negatives Beispiel gelten für die Berücksichtigung eines Projektes, das weder vom Kreistag, noch von Stadt – oder Gemeinderäten in der Region als besonders wichtig oder sinnvoll angesehen wird, sollte daher überprüft werden. Auch hier fehlt die verkehrsträgerübergreifende Betrachtung: So sollte berücksichtigt werden, dass die genau parallel verlaufende Rurtalbahn derzeit schon erfolgreich ist und dass die Region die Durchbindung nach Baal mit Anschluss an die Hauptstrecke nach Düsseldorf einvernehmlich fordert und konkret plant. Auch dies könnte die behaupteten Verkehrszuwächse auf der Straße in Frage stellen.

B66 „Stadtautobahn“ Bielefeld (Projekt B66-G40-NW)

Diese Strecke wird von der Stadt Bielefeld und den Bürgern abgelehnt. Sie hat erhebliche innerstädtische Zerschneidungs- und negative Umweltwirkungen auf Wohn- und Grüngebiete, vor Ort wird die Notwendigkeit nach dem Bau des Ostrings stark bezweifelt.

B229 Ortsumfahrung Balve (Projekt B229-G10-NW-T2-NW)

Die OU wird vor Ort abgelehnt, neben den Einzelhändlern, die Nachteile für den Ort sehen, auch die Bürger, die Naturzerstörung befürchten. Die angegebenen Kosten von 19 Mio.€ werden als viel zu gering eingeschätzt. Maßnahmen zur Reduzierung der negativen Verkehrsauswirkungen in der Ortslage sind durchaus möglich.

Bereich SCHIENE

Grenzüberschreitende Projekte NL / B: Projekte 2-025-V01 (Venlo), 1-193/194 (Eiserner Rhein) und 2-048-V01 (Düren - Aachen)

Der grenzüberschreitende Verkehr von den ZARA-Häfen nach NRW erfordert eine erhebliche Erweiterung der Kapazitäten im Schienengüterverkehr. Der VCD setzt sich deshalb für eine hohe Einstufung aller drei der o.g. Projekte ein.

RRX (Projekt 2-020-V01), zusätzlich Bf. D-Benrath / K-Mülheim, Ausbau Angermund-Duisburg (-V02)
Der VCD begrüßt die hohe Einstufung des für NRW zentralen Projekts und betont die Notwendigkeit einer vordringlichen Realisierung. Dazu gehört aber auch der sechsgleisige Ausbau zwischen Düsseldorf und Duisburg. Die zusätzlichen Halte in D-Benrath und K-Mülheim haben nach unseren Kenntnissen keine betrieblichen Nachteile, bringen aber erhebliche Gewinne in der Erschließung. Z.B. lässt sich der Verkehr zwischen Benrath und Düsseldorf Hbf nur mit dem S-Bahn-Angebot kaum abwickeln. Das derzeitige und geplante Angebot im Regional- und Fernverkehr auf der Hauptachse zwischen Düsseldorf und Duisburg lässt einen Verzicht auf den durchgehenden 6-gleisigen Ausbau nicht zu.

Knotenprojekte Köln (Projekt K-003-V01,-V99), Dortmund

Der Ausbau des Knotens Köln mit hoher Netzwirkung hat hohe Priorität. Aber auch andere Knoten wie Dortmund brauchen dringend Maßnahmen zur Kapazitäts- und Betriebsverbesserung. Die Mittel sollten erhöht werden.

Dortmund - Münster (Projekt 2-049-V01 1-055)

Der Ausbau über Lünen muss vordringlich erfolgen. Hier geht es ähnlich wie beim RRX um die Beseitigung von Engpässen, die bei Fernverkehrszügen zum Teil bundesweit negative Auswirkungen haben.


Mittelrheinachse (Rhein/Ruhr-Sieg-Strecke) (Teilprojekte in VB 2-004-V03)

Der Ausbau dieser Entlastung für die Rheinstrecke wird vom VCD befürwortet. Wir befürchten allerdings bei „Sparlösungen“ Probleme mit Lärm einerseits sowie für die Abwicklung des SPNV andererseits gerade in den Abschnitten zwischen Köln bzw. Hagen und Siegen, hier sind akzeptable Lösungsansätze zu finden.

Projekt 2-016-V01ABS/NBS Hannover - Bielefeld

Vordringlich ist die Erweiterung der Kapazitäten im Bereich Hannover - Wunstorf, ggf. Ausbau im Bereich Minden, geprüft werden sollte auch die Ertüchtigung der Südbahntrasse Löhne - Hameln - Elze - Hildesheim; Umfahrung Minden inklusive Tunnel nicht prioritär; Minden sollte als Fernverkehrs-Halt erhalten bleiben .

ABS (Hagen -) Schwerte - Brilon Wald – Warburg 2-gleisiger Ausbau Brilon Wald - Warburg und Elektrifizierung Schwerte - Brilon Wald – Warburg (Projektnummer der Anmeldung: 1-006):

Die Empfehlung der Gutachter, den der Projektvorschlag nicht in den BVWP aufzunehmen, geht von falschen und teils veralteten Voraussetzungen aus. Die Tunnelrückbauten zur Eingleisigkeit auf der Strecke werden nicht mehr geplant. Im vorigen Jahr haben sich der SPNV-Aufgabenträger NWL und die DB auf eine zweigleisige Tunnelsanierung geeinigt. Vor diesem Hintergrund sollte die Wiederherstellung der Zwei-Gleisigkeit zwischen Brilon Wald und Warburg geprüft werden. und Elektrifizierung der gesamten Strecke.

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