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Hafenmarkt Münster - eine Chance für ökologische Quartiers- und Verkehrsentwicklung?

Die Stadt Münster hat mittlerweile die Planungsunterlagen für den Hafenmarkt ausgelegt.

Der VCD hat dazu eine ausführliche Stellungnahme verfasst.

Bis zum 21.05.21 haben betroffene Bürger Gelegenheit, Einwände gegen dieses Bauvorhaben einzubringen. Zum Online-Formular geht es hier: www.stadt-muenster.de/formulare/61-anregungen.html

>> Bitte beteiligen Sie sich!

 

Hier der Link zum Hafenmarkt-Thema auf der städtischen Homepage: www.stadt-muenster.de/stadtplanung/bebauungsplanung/plaene-im-verfahren/609-hafenmarkt.html

 

 

 

 

Der VCD begleitet das Entwicklungsvorhaben Hafenzentrum/-markt seit vielen Jahren konstruktiv aus der Perspektive des Verbandes.
Aufgrund unserer Sicht auf den derzeitigen Entwicklungsstand des Projekts sowie den Verlauf der Debatte um das Vorhaben empfehlen wir dem Rat der Stadt Münster, die derzeitigen Planungen noch nicht offenzulegen.
Stattdessen sollten die Planungen aus Sicht des Verbandes noch einmal unter öffentlicher Beteiligung zukunftsorientiert weiter entwickelt werden.

Der Regionalverband Münsterland des VCD als ökologischer Verkehrsclub spricht diese Empfehlung gemäß seines Selbstverständnisses als Element der Zivilgesellschaft aus. In diesem Bereich arbeitet der VCD an der partizipativen Suche nach möglichst konsensförmigen Lösungen im Problembereich der Mobilität.
Im Zentrum der Lösungssuche steht die nachhaltige, umweltverträgliche, soziale und gerechte Gestaltung des örtlichen, regionalen, großräumigen und weltweiten Verkehrs von Personen und Gütern.
Der VCD denkt verkehrsmittel-übergreifend, er betrachtet alle Mittel der Verkehrsgestaltung unter dem Aspekt der Funktionalität zur Bewältigung der jeweiligen Herausforderungen. Die unterschiedlichen Formen der Mobilität, vom Zu-Fuß-Gehen bis zum Einsatz von Flugzeugen sollten dabei so eingesetzt werden, dass sich die jeweiligen Vor- und Nachteile bestmöglichst auf das zu erreichende Ziel ausrichten lassen.

Aus dieser Perspektive begrüßt der VCD, die in großen politischen Konsens getroffene Absicht weiter zu verfolgen, im Planungsbereich ein Stadtbereichszentrum zu schaffen. Es soll in Einbettung zu den weiteren städtischen Entwicklungen im Hafenbereich gestaltet werden. Die Auslegung als ein über das Quartier hinausreichenden ‚Magneten‘ ist schlüssig. Das Zentrum sollte Menschen aus einem großen Teil der Stadt Münster, aber auch aus dem angrenzenden Umland zum Besuch verlocken.
Die Frage jedoch, wie die vom Planungsobjekt ausgelösten Verkehrsströme sowohl im Hinblick auf den Personenverkehr als auch auf den Güterverkehr in einer aus ökologisch und sozialer Sichtweite gestaltet werden soll, erscheint uns noch unzureichend geklärt.
Hier nennen wir nur einige aus einer Vielzahl von Argumenten, die diese Ansicht belegen:

  1. Die gutachterliche Betrachtung der Auswirkungen des von den vorliegenden Planungen ausgehenden Verkehrs ist ausschließlich durch den Investor vorgenommen worden. Aus Sicht des VCD zweifeln wir nicht die Aussagen des Gutachtens an – soweit wir es einschätzen können, entspricht das Gutachten den gängigen Standards. Das Gutachten nimmt eine relativ traditionelle Sicht auf die Optionen der Gestaltung des zu erzeugenden Verkehrs ein. Es ist nicht zu erkennen, dass die Gutachtenden ernsthaft die Möglichkeiten untersucht hätten, die Gestaltung eines Stadtbereichszentrums mit der vorgesehenen Zielperspektive so zu gestalten, dass die ‚Magnetwirkung‘ im Hinblick auf die Besucherschaft mittels stadtstrukturell angepassten Verkehrsformen (Umweltverbund) genauso gut oder sogar besser zu erreichen. Es fehlt also ein Gutachten mit alternativen Umsetzungs-Szenarien, um das Vorhaben heute beurteilen zu können.

  2. Die vom Investor vorgelegten Planungen gehen davon aus, dass der im zu planenden Objekt stattfindende Handel in ‚stationärer‘ Form erfolgt. Dieser Zielsetzung stimmt der VCD explizit zu: Aus Sicht des Verbandes ist es wünschenswert, auch weiterhin in allen Bereichen des Handels Formen zu haben, bei der die Kundschaft in mobiler Form soziale Räume aufsucht, die dem Handel dienen. Dort kann und sollte es vorrangig persönliche Beratung, kulturelles Erleben (auch von Neuem), die Möglichkeit der physischen Erkundbarkeit von Waren und Begegnung von und mit Menschen im sozialen Raum geben. Das Vorhalten von realen Räumen des Handels sollte als Gegengewicht zum digitalen Online-Handel zukunftsträchtig gestaltet werden. Dabei ist es aber nicht – anders als früher – nicht mehr notwendig, dass die Handel Treibenden große Warenmengen zum stationären Ort des Handels befördern, die dann von den Kunden individuell wieder abtransportiert werden müssen. ‚Stationärer Handel‘ ist also in Zukunft nicht mehr der Ort des ‚Warenumschlags‘, sondern der Ort, an dem mobile Kundschaft nach Einsichtnahme und Beratung ihre Kaufentscheidungen trifft und den so ausgelösten Warenfluss disponiert. Kleine Mengen kann man dabei sicherlich ‚an der Person‘ gleich mitnehmen; große Warenmengen sollten dagegen durch Citylogistik direkt vom Zentrallager zum Kunden befördert werden. Für die Beurteilung des Vorhabens ist daher nicht die Zahl der qm relevant, die für stationären Handel vorgesehen sind, sondern die Frage, in welcher Form und mit welchen Auswirkungen der Handel dort betrieben wird. Der innovative Aspekt des ‚Markts‘ könnte dabei ein erster Ansatz von Überlegungen sein, welche aber bisher kaum durchdacht erscheinen. Damit ist die Vorlage nicht entscheidungsreif.

  3. Für einen im Jahre 2021 zu ändernden Flächennutzungsplan bzw. Bebauungsplan wird die Behandlung der Klimaproblematik aus Sicht des VCD äußerst rückständig betrieben. Die in den vorliegenden Planungen dokumentierte Ansicht, durch die Realisierung des Objekts werde es, unter Verweis auf begrünende Maßnahmen, voraussichtlich nicht zu nennenswerten Steigerungen der Emissionen kommen, kann nach den internationalen Klimaschutzvereinbarungen von Paris und den durch die Bundesregierung formulierten Ziele der Senkung der Emissionen keinesfalls befriedigen. Der VCD erwartet von einer zeitgemäßen Planungsvorlage, dass alle Optionen der Realisierung unter dem Aspekt dargestellt und beurteilt werden, wie die größtmögliche Senkung der klimarelevanten Emissionen erreicht werden kann. In diesem Zusammenhang sind auch die Bemerkungen zu (2) bedeutsam, also die Frage danach, wie die bestmögliche ‚Magnetwirkung‘ des Stadtbereichszentrums durch die innere Gestaltung der dortigen Vorgänge so gestaltet werden kann, dass die klimabezogenen Reduktionsziele möglichst gut erreicht werden. Auch in dieser Hinsicht ist die Vorlage daher nicht entscheidungsreif.

  4. Der VCD stellt fest, dass ‚schleichend‘ bei den baubezogenen Planungen des Hafenmarkt-Projektes durch die für Bauplanung zuständige kommunale Selbstverwaltungs-Abteilung auf Fragen angesprochen worden sind, die das Amt für Mobilität und Tiefbau bzw. den Verkehrsausschuss betreffen. Im Flächennutzungsplan werden – anders als bei den früheren Planungen – auch Abschnitte des Hansarings einbezogen, also einer aus Sicht der städtischen Verkehrsgestaltung bedeutsamen Straße. Wir können nicht feststellen, dass die vorgesehenen Eingriffe in die Struktur der Straße in ein ordnungsgemäß verlaufendes kommunalpolitisches Beratungsverfahren eingebettet sind. Hier droht also möglicherweise eine gravierende Rechtslücke im Beratungsprozess, welche vor einer Entscheidung qualifiziert zu schließen ist.

  5. Abschließend äußert sich hier der VCD-Regionalverband zu einer Frage, die möglicherweise am Rande unserer ‚Zuständigkeit‘ liegt: Dem Umgang der Stadt mit dem Investor. Es ist offensichtlich, dass es in der Öffentlichkeit große Kontroversen im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit des Vorhabens gibt. Dem Investor ist zu Gute zu halten, dass er sich seit vielen Jahren konsequent und schlüssig um die Umsetzung seiner Planung bemüht. Er hat, da er sich stets um Kooperation mit der Verwaltung bemüht hat, rechtlichen Anspruch auf Unterstützung gegenüber der Stadt. Andererseits haben es sowohl Stadt als auch Investor zu vertreten, dass die vorliegenden Planungen aus vielen Gründen – einige haben wir unter (1) bis (4) benannt – vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht zukunftsfähig erscheinen. Daher wäre es nun auch gegenüber dem Investor grob fahrlässig, offensichtlich unausgereifte Pläne des Vorhabens in der Öffentlichkeit auszulegen. ES entspricht gutem Stil in der Kommunalpolitik, Pläne erst dann auszulegen, wenn sie in allen relevanten Hinsichten hin durchdacht sind und diese Überlegungen dokumentiert sind. Dann erst sind, so Ansicht des VCD, Pläne entscheidungsreif. Die Auslegung der Pläne, die das Planungsrecht vorsieht, ist selbstverständlich ein dann folgender Schritt der Umsetzung – er dient aber vor allem dazu, die Passung des gesamten Vorhabens mit den Rechten der durch die Planungen Betroffenen zu leisten. Soweit ist es – aus unserer Sicht – noch nicht.

Gerne ist der VCD-Regionalverband bereit, die vorgetragenen Einwendungen anhand der Unterlagen genauer zu belegen. Wir sind uns durchaus bewusst, dass wir uns irren können. Unsere Ansicht, dass die Debatte um eine zukunftsfähige Gestaltung des beabsichtigten Stadtbereichszentrums noch nicht abgeschlossen ist, bleibt aber trotzdem zutreffend. Wir sind gerne bereit, uns auch weiterhin an der Debatte konstruktiv zu beteiligen.

Der Vorstand

T. Lins, W. Wiemers, P. Werner

 

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