Nordrhein-Westfalen

Münsterland
Buslinien-Konzept Münster & das Münsterland

Das VCD-Buslinienkonzept für Münster (Detail-Version)

Die ausführliche Version des VCD Buslinien-Konzeptes

230116 VCD StUV Stellungnahme zu den geplanten Änderungen im Busliniennetz Münster

Arbeitspapier der Fachgruppe ‚Stadt-Umland-Verkehr‘ des VCD-Regionalverbandes Münsterland vom 16.1.2023 zu den geplanten Änderungen im Busliniennetz

Stadt und Stadtwerke planen eine Änderung des Busliniennetzes: Die Äste der Linienbündel Linie 6/8 und 15/16 sollen in der Stadtmitte getauscht werden. Die Linie 6/8 soll im nördlichen Abschnitt gestrafft werden. Die Maßnahmen versprechen Vorteile für den Busbetrieb und für viele Fahrgäste. Sie zerstören jedoch etliche ‚gewachsene Verkehrsbeziehungen‘ und werden daher als nachteilig erlebt.

Um diese Planungen entwickelt sich eine heftige Debatte. Der VCD begrüßt die Debatte. Aus Sicht des Verbandes ist es in unserer demokratisch-partizipativen Gesellschaft unverzichtbar, kontrovers zu diskutieren. In dieser Debatte nimmt der VCD als Ökologie und Nachhaltigkeit verpflichteter verkehrsmittel-übergreifender Verkehrsklub für alle Menschen mit Mobilitätswünschen wie folgt Stellung:

Die in der Debatte geäußerten Argumente zeigen beispielhaft, wie schwierig es ist, das Angebot öffentlicher Verkehrsmittel zukunftstauglich zu entwickeln. Doch genau das ist in Münster dringend erforderlich, da es zwingend ist, die Klimaschutzziele im Verkehrsbereich einzuhalten. Daher unterstützt der VCD vorbehaltslos die Absicht, die Leistungsfähigkeit und die Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel in Münster nachhaltig zu stärken. Das ist die Zielperspektive, mit der wir uns als Verband in die Debatte einbringen.

In diesem Zusammenhang ist uns wichtig festzustellen: Alle Überlegungen zur Entwicklung des Busnetzes sind an der Frage zu beurteilen, ob beabsichtigte Änderungen für die gesamte betroffene Bürgerschaft in einer Gesamtsicht zu Verbesserungen führt. Betroffen sind nicht nur die Menschen, die derzeitig das Busnetz nutzen. Betroffen sind genauso diejenigen, die das Busnetz derzeit nicht nutzen, jedoch als künftige Bus-Nutzende angesprochen werden müssen. Betroffen sind also junge wie alte Menschen, Menschen mit Handikaps oder anderen Einschränkungen der üblichen Bewegungsfähigkeit, Bewohner*innen der City genau wie der der äußeren Stadtteile und in vielen Fällen auch der Umlandgemeinden. Alle Personen, die das Netz öffentlicher Verkehrsmittel derzeit und künftig für ihre Mobiliätswünsche nutzen oder nutzen können, müssen bei den Planungen in den Blick genommen werden.

Derzeit wird die öffentliche Debatte stark von einem Personenkreis bestimmt, die befürchten, durch die geplanten Änderungen würde ihr individuelle Beweglichkeit beeinträchtigt. Der VCD begrüßt, dass diese Positionen deutlich ausgesprochen werden. Denn sie müssen in die weiteren Überlegungen einfließen. Aber sie dürfen die weiteren Überlegungen nicht dominieren. Sonst würden die Personengruppen, die von den geplanten Änderungen Vorteile haben, nicht angemessen beachtet. Denn solche Personengruppen erhebt – aus verständlichen Gründen – nicht ihre Stimme in der Debatte.

Wer zukunftsorientierte Änderungen vornimmt, sollte zuerst verstehen, auf welchen Überlegungen die bisherige Praxis beruht. Daraus lässt sich ableiten, wie es in Zukunft sinnvoll weitergehen kann. Das zu tun, sieht der VCD als seine Aufgabe an.

Das bisherige Busnetz der Stadt verfolgt das Ziel, auf wichtigen Achsen an Werktagen einen 10-Minuten-Takt anzubieten. Das erfolgt in der Praxis, indem zwei Linien auf dem größten Teil ihrer Wegstrecke zu einem 10-Minuten-Takt überlagert werden. Das gilt nicht nur für die hier zu betrachtenden Linienbündel 6/8 und 15/16, sondern auch für weiter Hauptachsen. Dieses System kommt in Münster derzeit an seine Grenzen. Daher ist es erforderlich, die Hauptachsen künftig mit Linien zu bedienen, die alle 10 Minuten verkehren. Solche Linien lassen sich bei Bedarf verstärken. Möglich ist, weitere Busse im Zwischentakt auf Teilstrecken einzuplanen, oder die Linie durch bedarfsgerechte E-Wagen zu verstärken. In der öffentlichen Debatte wird eine solche Linie oft als ‚Metrobus‘ bezeichnet. Von großer Bedeutung ist, dass solche Linien zügig verkehren, in verkehrsreichem Gebiet ungehinderte Fahrwege (Busspuren) erhalten und sie an Ampelanlagen gegenüber dem MIV (motorisiterter Individualverkehr) Vorrang erhalten.

Einzelne Buslinien, auch Metrobuslinien, entfalten verkehrliche Wirkung nur entlang des Linienverlaufs. Der Einzugsbereich einer Metrobuslinie lässt sich durch individualisierte Bedienform, wie in Münster derzeit in Hiltrup erprobt wird, so erweitern, dass jeweils Sektoren des Stadtgebietes bedient werden. Doch lebt der ÖPNV davon, dass Buslinien zu Netzen verknüpft werden. Fahrgäste wechseln regelmäßig und vielfach die Linien. Das ‚Umsteigen‘ ist unvermeidliches Element eines raumerschießenden ÖPNV-Netz. Daher ist es eine Frage von großer Wichtigkeit, die Übergangspunkte zwischen den Metrobuslinien netzmäßig sinnvoll und bedarfsgerecht zu gestalten. Genauso wichtig ist, die Knotenpunkte so auszugestalten, dass dort ein Übergang von einer Linie zu einer anderen Linie leicht möglich ist, auch für Personen mit Handikaps, Kinderwagen oder Traglasten. Das ‚Umsteigen‘ ist Kerngedanke des ÖPNV-Netzes! Der Wunsch des einzelnen Fahrgastes, dass ihn ‚sein Bus‘ ähnlich wie ein PKW von Start zu Ziel führt, ist nachvolliehbar, aber wirklichkeitsfremd.

Münster verfolgt in dieser Hinsicht bisher ein Konzept, das theoretisch gut, aber in der Praxis wenig wirksam ist: Das ‚Dreieckskonzept‘. In der Stadt sind drei zentrale Haltestellen bestimmt, die sich um die Innenstadt herum gruppieren. Das sind die Knotenpunkte Ludgeriplatz, Hauptbahnhof und Bült. Von diesen drei Haltestellen aus sollten alle Sektoren der Innenstadt gleich gut erschlossen sein. Je nachdem, welches Ziel Fahrgäste haben, wählen sie die Ausstiegsstelle, die ihren Bedürfnissen am besten entsprechen. Alle Buslinien erschließen deshalb zwei der drei Knotenpunkte. Wer seine Wunschhaltestelle nicht erreicht, steigt – wenn er nicht zu Fuß geht – an einem Knotenpunkt seiner Linie um. Das Dreieckskonzept garantiert darüber hinaus auch für alle weiteren Fahrtziele im Einzugsbereich der Metrobusse, dass man sie mit einmaligem Umsteigen erreicht.

Das Dreieckskonzept geht in Münster jedoch nur teilweise auf. Das liegt daran, dass zwar auf den Abschnitten vom HBF zum Ludgeriplatz und vom HBF zum Bült dichter Buslinienverkehr herrscht. Doch die dritte Verbindung, vom Bült zum Ludgeriplatz, ist im Vergleich dazu unterentwickelt. Das theoretische Dreieck ist in der Praxis nur eine Art Halbkreis vom Ludgeriplatz über Hauptbahnhof zum Bült. Die dritte Seite des Dreiecks fehlt. Außerdem sind die Umsteigemöglichkeiten an allen drei Haltestellen wenig nutzerfreudig gestaltet.

Für die Zukunft gilt es, das Dreieckskonzept weiterzuentwickeln. Münster benötigt eine leistungsfähige ÖPNV-Trasse, die rund um die historische Altstadt führt. Münster-spezifisch könnte man sie als ‚Bus-Promenade‘ bezeichnen. Aus Sicht des VCD sollten alle Bushaltestellen auf dem Weg HBF – Eisenbahnstraße – Bült – Neutor – Schlossplatz – Universitätsstraße – Ägidiimarkt – Schützenstraße – Aasee (Weseler Str) - Antoniuskirche – Ludgeriplatz – HBF zur Bus-Promenade gehören.

In der Absicht, das Zentrum weitgehend autofrei zu gestalten, sollten Metrobuslinien nicht mehr in die engen Straßen der Innenstadt einfahren. Für Personen, die auf motorisierte Beförderung im Zentrum angewiesen sind, sollte stattdessen ein bedarfsgesteuertes Shuttle-System geschffen, mit dem die Haltestellen der Buspromenade die Innenstadt erschließen. Alle Metrobuslinien befahren die ÖPNV-Trasse halbkreisförmig rechs- oder linksherum und verlassen die Buspromenade auf der entgegengesetzten Seite. Alle Haltestellen der Buspromenade dienen als Übergangsstellen von einer Linie zu den anderen Linien, die diese Haltstelle berühren. So ist sichergestellt, dass man von jeder Metrobuslinie auf jede Metrobuslinie umsteigen kann.

Eine aus Sicht der Nutzenden und aus Sicht der zügigen Verkehrsabwicklung optimierte Buspromenade für die Stadt Münster zu entwickeln, erfordert ein erhebliches Maß an Kreativität, Entscheidungsfreude (urbane Flächen für ÖPNV-Vorrang in Anspruch zu nehmen) sowie Investitionsbereitschaft. Die Infrastruktur der Buspromenade kann Stück für Stück entwickelt werden, denn die Verkehrswege existieren derzeit bereits. Sie werden rege genutzt und sind kürzlich abschnittsweise optimiert worden. Bei der angestrebten weiteren Verlagerung des Stadtverkehrs auf Elektrobusse muss die Buspromenade deutlich leistungsfähiger werden als bisher – ein Bus pro Minute und Richtung muss die ÖPNV-Trasse störungsfrei bewältigen können. Bei der Entwicklung ist neben der Stadtverträglichkeit von Fahrweg und Haltestellen der Busse vor allem auf barrierefreie und kurze Umsteigemöglichkeiten zu achten. Entsprechende bauliche Ausgestaltung der Haltestellen werden so die unvermeidliche Umsteigeproblematik des Busnetzes merklich entschärfen.

Mit diesen Hintergrundbetrachtungen erscheint die beabsichtigte Maßnahme im Hinblick auf die Linien 6/8 und 15/16 zielführend, aber nicht hinreichend in die künftige Planung eingebettet. Die Linienbündel aus zwei Linien lassen sich bruchlos zu einer Metrobuslinie weiterentwickeln. Die Straffung des Linienwegs der Linie 6/8 erscheint sinnig, da Metrobuslinien zügig verkehren sollen. Doch ist derzeit nicht hinreichend geklärt, auf welche Weise die Mobilitätswünsche der Fahrgäste, die Quelle und Ziel im Einzugsbereich der Haltestellen an der Kanalstraße haben. Hier stellt sich die Frage, ob es einer weiteren Metrobuslinie bedarf, die diese Haltestellen bedient, oder ob das Verkehrsbedürfnis durch eine flexible Bedienform abgedeckt werden kann. Die Einrichtung einer nur selten (z.B. stündlich) bediente Quartierslinie würde dagegen nicht zu den Entwicklungszielen passen.

Bisher ungeklärt sind jedoch die verkehrliche Bedeutung und die Führung der zweiten Teilachse der Linie 6/8 im südlichen Stadtgebiet sowie die Bedeutung der beiden Streckenäste der Linie 15/16 im Norden und Süden der Stadt. Die Einbeziehung der Linie 15/16 in die Reform der Linie 6/8 erscheint derzeit eine rein pragmatische Lösung zu sein, deren Stimmigkeit im Gesamtkonzept der Buslinienentwicklung noch nicht durchdacht ist.

Im Moment sieht der VCD die Gefahr, dass im Hinblick auf die aktuelle Problematik Fakten geschaffen werden. Es steht zu befürchten, dass sich dieses bei der weiterzutreibenden Optimierung des Liniennetzes, als ‚systemisch schlecht‘ erweisen. Dann müsste das Netz schon wieder geändert werden ­ was aus unserer Sicht äußerst ungünstig wäre. Der VCD fordert daher Stadt und Stadtwerke auf, die Verträglichkeit der Maßnahme mit dem Ziel des Aufbaus einer langfristig nachhaltigen Busnetzkonzeption der Stadt Münster nachzuweisen.

Möglicherweise stellt sich bei der Prüfung der Verträglichkeit mit der langfristigen Konzeption heraus, dass die aktuell betrachtete Maßnahme gut zur langfristigen Planung passt. In diesem Fall ist aus Sicht des VCD zu akzeptieren, dass bis zu deren Umsetzung im Bereich des Linienangebotes und im Bereich der Infrastruktur für einzelne Nutzergruppen Verschlechterungen eintreten. Hier zeigt sich, wie wichtig die taugliche Gestaltung der Knotenpunkte ist.

Nach der bisherigen Konzeption müssen beispielsweise Fahrgäste, die von Coerde mit der 6/8 kommen, am Hauptbahnhof Richtung Ludgeriplatz umsteigen. Bei der Umgestaltung müssten Fahrgäste, die von Coerde kommen und zum Bült wollen, am Knotenpunkt Hauptbahnhof umsteigen. Dieser ist jedoch für die Umsteigebeziehung, die dazu notwendig ist, äußerst ungünstig gestaltet. Daher verweise die Stadtwerke darauf, dass man ja auch an der Haltestelle Eisenbahnstraße umsteigen kann. Diese ist jedoch baulich für die notwendige Umsteige-Beziehung genauso schlecht ausgestaltet wie die Haltestelle Hauptbahnhof.

Daher sind die Befürchtungen von Bürgerinnen und Bürgern, die wir, wie oben ausgeführt, in der Debatte hören, sehr berechtigt. Sie sind nur kein Grund dafür, die Maßnahme generell abzulehnen. Sondern sin sie Anlass, darüber nachzudenken, wie der Busverkehr langfristig gestaltet werden soll. Dahin führt das Konzept der Buspromenade: Denn in diesem Fall wird der Knotenpunkt Eisenbahnstraße zur Einmündung sowohl der Metrobusachse Richtung Coerde als auch der Metrobusachse entlang der Warendorfer Straße. Es ergeben sich dort also in vier Richtungen jeweils wichtige Umsteigebeziehungen, von einer Aussteige-Haltestelle zu zwei weiteren Einstiegs-Haltestellen. Also ist infrastrukturell zu planen, wie ein dortiger Umsteige-Knoten optimal in den Stadtraum einzubetten ist. Von diesem Optimum ist die bisherige Situation an der Haltestelle meilenweit entfernt!

Daher sind aber auch die Einwände des VCD sehr berechtigt. Uns liegt es daran, eine möglichst zügige und störungsarme schrittweise Transformation des ÖPNV-Netzes der Stadt unter den genannten Zielkriterien umzusetzen. Daher möchten wir erfahren, wie sich die Verantwortungsträger in Politik und Verkehrsbetrieben – nicht nur den Stadtwerken – die Ausgestaltung der Innenstadt-Linienführungen für ein leistungsfähiges Metrobussystem konkret vorstellen.

Uns ist vor allem wichtig, die von uns skizzierte halbkreisförmige Führung aller Metrobuslinien im Halbkreis um die Stadt genau zu beschreiben. Denn davon hängt es ab, alle Ziele mit einem Umsteigevorgang erreichen zu können. Es könnte daher sein, dass die optimale Lösung noch weitere Änderungen in der Ausgestaltung der heutigen Durchmesserlinien durch die Stadt erforderlich machen. Ob und wie ‚gewachsene Verkehrsbeziehungen‘ durch derzeit durchgehende Buslinien beibehalten oder aufgebrauchen werden sollten, lässt sich nur bei einer Betrachtung der Gesamtsicht verantwortlich entscheiden.

Michael Wildt, Koordinator der Arbeitsgruppe Stadt-Umland-Verkehr des VCD-Regionalverbandes Münsterland

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