Nordrhein-Westfalen

Hagen - Märkischer Kreis, Elektromobilität
Hagen - Märkischer Kreis

Elektroroller in Hagen-Haspe

In ihrer Sitzung vom 22.04.21 hat die Bezirksvertretung Haspe einem auf 3-6 Monate angelegten Pilotprojekt zugestimmt, in ihrem Gebiet ca 40 sogenannte Elektro-Tretroller (oder e-Scooter) an 20-30 Stationen zur Ausleihe aufzustellen. Es soll getestet werden, ob diese Elektrokleinstfahrzeuge künftig im gesamten Stadtgebiet zum Einsatz kommen sollen.

Die Initiative ging von der irischen Zeus Scooters Gmbh aus, die eine dreirädrige Variante zum Preis von 0,19€/Min vermieten will. Die Stadt, die für die Beschilderung der Verleihstationen mit Kosten von 6000-9000€ rechnet, argumentiert, dass die Fahrzeuge ein „wichtiger Beitrag zur Mobilitätswende“ sein können, da sie eine „echte Autoalternative“  im Sinne des Masterplans Nachhaltige Mobilität darstellten. Für Haspe hat man sich entschieden, weil  Haspe eine „adäquate Fahrradinfrastruktur“ aufweise (alle Infos aus der WP vom 23.04.21, Hagener Teil S. 1).

Der VCD sieht diese Fortbewegungsart grundsätzlich sehr kritisch und in diesem Fall besonders:

  • Die Fahrradinfrastruktur in Ortsteil Haspe ist allein schon für den Radverkehr völlig unzureichend, schlecht durchdacht und gefährlich, vor allem die sogenannten „Schutzstreifen“ von knapp 1m Breite, an denen Autos Radfahrende ohne den gebotenen Abstand von 1,5 m überholen. Daher ist davon auszugehen, dass die Nutzer eher die Fußwege benutzen werden. (Es sei daran erinnert, dass die Stadt Hagen im diesjährigen ADFC Radverkehrscheck wie immer den letzten Platz in ihrer Kategorie belegt hat.)
  • Es fehlt bisher eine Ortsangabe  zu den 20-30 Ausleihstationen. Schon für Fahrräder fehlen oft geeignete Abstellpätze.
  • Bisherige Studien zeigen, dass diese Scooter im Allgemeinen nicht zum Umstieg vom Auto führen – da ja z.B. mit ihnen nichts transportiert werden kann - sondern eher von anderen umweltfreundlichen Fortbewegungsarten (Bus, Fuß, Rad). Insbesondere einen Umstieg Zufußgehender auf e-Scooter sehen wir kritisch, da dadurch gesunde Bewegung weiter reduziert wird. Denn anders als die Bezeichnung ‚Tretroller‘ suggeriert, wird natürlich nicht getreten, sondern ein Elektromotor angestellt.
  • Der mangelnde Umstieg vom Auto – es sei denn wegen des Fun Faktors – ist möglicherweise auch dem Preis geschuldet: Bei den Kosten für den Verleih bleibt unerwähnt, dass neben den besagten 0,19€/Min für jede Nutzung eine Grundgebühr von 1€ (‚unlock‘) anfällt. D.h. die durchschnittlich mit Scooter zurückgelegte Strecke von 5 km kostet ca 2€. Das ist zwar deutlich günstiger als die entsprechende Fahrkarte bei der Hagener Straßenbahn, entspricht aber in etwa den Kosten für einen Mittelklassewagen – also kaum ein Motivationsanreiz. Es bleibt auch offen, ob weitere Kosten – neben der für die Beschilderung der Standorte – für die Stadt anfallen.
  • Wir bezweifeln, dass das Ordnungsamt in der Lage und willens ist, den sachgemäßen Gebrauch kontinuierlich zu überprüfen und Verstöße, z.B. gegenüber Fußgängern, zu ahnden. Das geschieht bisher auch  kaum beim Parken auf Geh- und Radwegen.
  • Es ist unklar, wie die in der BV Haspe vereinbarten Konditionen jedem e-Scooter-Kunden bekannt gemacht werden, ob z.B.  auf  hagen.de analog der Gebietsordnung.  
  • Die Frage, wo und durch wen die Scooter aufgeladen werden, wird nicht beantwortet, auch nicht auf der Zeus Homepage. In der Regel erfolgt die Aufladung aber durch Privatpersonen, die die Scooter mit einem Gewicht von ca 20kg nachts entweder selbst zu ihrer Wohnung fahren oder in größerer Anzahl in ein Auto (zusätzlicher Verkehr!) laden, um sie dann zu Hause aufzuladen. Pro Scooter erhalten sie ca 4€. In der Regel wird die Arbeit also als Nebenjob für ein Taschengeld erledigt.
  • Die durchschnittliche Lebensdauer eines e-Scooters im Verleih ist noch nicht genau ermittelt, ist aber auf jeden Fall extrem kurz, es wird von ca 6 Monaten ausgegangen; danach ist das Gerät hochproblematischer Elektroschrott.

Unser Fazit: Um tatsächlich die oft zitierte Verkehrswende endlich anzugehen, sollten die Ideen des Fahrradkonzeptes und des Masterplans Nachhaltige Mobilität – in der die e-Scooter nicht erwähnt werden – in die Tat umgesetzt werden. Vor allem gilt es, bereits bestehenden Mobilitätsarten wie Fuß- und Radverkehr, endlich geeigneten Raum zu geben. Leider wurde statt dessen in der o.g. Sitzung der BV wieder beschlossen, den Autoverkehr – den man offiziell ja angeblich reduzieren will – wieder kräftig zu fördern: 70.000€ für neue Parkplätze. Hagen könnte die Vorteile seiner „Strategie“ als verkehrspolitischer Late Follower nutzen und sich die Erfahrungen mit e-Scootern aus den Pionierstädten (Paris, Barcelona, etc.) anschauen – haben die Roller dort eine gute Wirkung entfaltet? Das darf auch nach einer flüchtigen Recherche bezweifelt werden. Grundsätzlich sollte Verkehrspolitik – wie der Name schon sagt – von der Politik ausgehen, nicht von geschäftstüchtigen Unternehmen

Weiterführende Links:

https://www.quarks.de/technik/mobilitaet/e-scooter-darum-ist-ihre-klimabilanz-gar-nicht-mal-so-gut/

https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/nachhaltige-mobilitaet/e-scooter#aktuelles-fazit-des-uba)

https://www.vcd.org/startseite/newsroom-uebersicht/vcd-verkehrswende-blog/was-bringen-e-scooter/

https://www.vcd.org/startseite/newsroom-uebersicht/vcd-verkehrswende-blog///fragen-und-antworten-rund-um-e-scooter-kopie-1/

 

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