Nordrhein-Westfalen

Bochum-Gelsenkirchen-Herne
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Nahmobilität: Was will die SPD? / Impulse auch vor Ort? / VCD schreibt an Landtagskandidat*innen

In einem offenen Brief wendet sich der VCD an die SPD-Kandidat*innen für den Landtag und gibt dem Wunsch Ausdruck, dass mit der Diskussion von Punkten aus dem Programm zur Landtagswahl auch neue verkehrspolitische Impulse für Bochum entstehen.

 


So schreibt die SPD in ihrem Landtagswahlprogramm: “Wir wollen die Nahmobilität deutlich stärken. Das bedeutet einen Umbau der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere in den Kommunen sowie viele Maßnahmen zur Steigerung der Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radfahrer. In diesem Zusammenhang unterstützen wir die Vision Zero mit dem Ziel, die Anzahl der Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr auf null zu senken. Die Förderung der Nahmobilität ist besonders wichtig. Deswegen wollen wir eine Stabsstelle Nahmobilität direkt beim Landesverkehrsministerium schaffen.

Wir wollen die Radwegenetze im Land ausbauen und Lücken in den Vorrangnetzen für den Radverkehr schließen. Die bereits definierten Radschnellwege werden mit uns auch schnell Gestalt annehmen. Dazu nutzen wir die neuen Chancen des Bundes, um Planungs- und Bauverfahren zu beschleunigen.

Allein werden wir all das nicht schaffen. Insbesondere die Kommunen sind unsere Partner und zentrale Akteure für die Verkehrswende. Gemeinsam wollen wir mit den Kommunen konkrete Ziele für die Fahrrad- und Nahmobilität vereinbaren und die vereinbarten Maßnahmen mit ausreichend finanziellen Mitteln hinterlegen. Das gilt vor allem für die Umgestaltung der vorhandenen Verkehrsflächen und den Ausbau der zugehörigen Infrastruktur, wie zum Beispiel Radwegenetze, Fahrradabstellanlagen und Servicestation.”

Gute Ansätze, meint der VCD – aber wie sieht es in Bochum aus?

Dazu das folgende Schreiben:

Offener Brief an die SPD-Kandidat*innen zur Landtagswahl 2022
• Andrea Busche
• Bastian Hartmann
• Serdar Yüksel

Bochum, 30.4.2022

Verkehrspolitik der SPD in NRW und in Bochum

Sehr geehrte Frau Busche, sehr geehrter Herr Hartmann, sehr geehrter Herr Yüksel,
mit Interesse haben wir vom Kreisverband des Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Bochum das Wahlprogramm der SPD zur Landtagswahl 2022 zur Kenntnis genommen. Gerade im Bereich Mobilität und Radverkehr enthält es einige Vorschläge, die wir als ökologisch orientierter Verband, der sich für alle Verkehrsmittel einsetzt, unterstützen.
Allerdings möchten wir mit Ihnen ins Gespräch kommen, warum viele diese guten Forderungen von Ihnen im NRW-Programm der SPD in der Stadt Bochum zum Teil nicht oder nur sehr schleppend oder mit großer zeitlicher Verzögerung angedacht und diskutiert werden. Da die SPD seit vielen Jahrzehnten die Stadtpolitik federführend mitbestimmt, stellt sich die Frage, ob die landespolitischen Zielsetzungen ernst gemeint sind, wenn die SPD diese vor Ort nicht oder nur lückenhaft umsetzt.
Bochum ist im Vergleich mit anderen Städten u.a. beim Aus- und Umbau der Fahrrad- und Fußinfrastruktur an vielen Stellen noch sehr rückständig. Trotz einiger punktueller Verbesserungen (vor allem für den Freizeitverkehr auf alten Bahntrassen) wird deutlich, dass Bochum noch der wirkliche Schwung und Wille fehlt, wirksame Veränderungen für den Radverkehr anzugehen. Die SPD im Rat wie auch besonders die Verwaltung sind hier sehr zögerlich und bremsen Entwicklungen, wie sie im SPD-Wahlprogramm vorgeschlagen werden, eher aus.  Um Klimaneutralität und CO2-Einsparungen im Verkehrssektor der Stadt Bochum in den nächsten 10 bis 20 Jahren zu erreichen, müssen die Weichen allerdings jetzt gestellt werden und nicht erst in 10 Jahren. Diesen Anspruch scheint man in Bochum seitens der lokalen Politik und der Verwaltung aber
nicht zu haben. Das soll an ein paar Beispielen verdeutlicht werden: Die Planung von Straßeninfrastruktur ist immer noch am Automobil orientiert: Bei Neugestaltungen
von Straßen wird der Fuß- und Radverkehr nicht prioritär mitgedacht (Beispiel Wittener Str. oder auch in Teilbereichen bei der Königsallee). Hier setzt man für Radfahrende eher auf das Umfahren auf zugeparkten und längeren Nebenstrecken durch Wohngebiete als auf eine sichere und schnelle Verkehrsführung an den Hauptachsen.
Die schon lange bekannte Planung für den RS1 wurde in Bochum lange geschoben und vertagt, um im Endeffekt auf eine dann sehr teure und komplizierte Trassenführung zu kommen, deren Umsetzung noch viele Jahre dauern wird.
Zwar gibt es in Bochum inzwischen einige Streckenabschnitte, die den Radverkehr besser berücksichtigen. Durch viele Unterbrechungen, Lücken, zugeparkte Wege und die nichtvorhandene Netzstruktur bleibt das Radfahren in Bochum aber eine gefährliche Angelegenheit. Die erste Vorstellung des Radkonzepts ist sicher ein Fortschritt, allerdings bleibt hier die Konkretisierung und die Festschreibung der Umsetzung bisher aus. Die jetzt in der Entwurfsfassung vorgestellten Planungskonzepte von Planungsbüros sind noch lange nicht in der konkreten Umsetzung der Politik
angekommen und werden verzögert. Ein Konzept für den Fußverkehr fehlt vollständig. Immerhin gibt es im Bereich des Bus- und Bahnverkehrs erste Schritte in die richtige Richtung mit dem Netz 2020, auch wenn es hier noch Luft nach oben gibt.
Das Parken auf Geh- und Radwegen wird in Bochum weitgehend toleriert. Eine Aufstockung der Überwachungskapazitäten ist anscheinend nicht gewollt, um Autofahrende in Bochum nicht zu verschrecken. Dabei sind freie Gehwege für Kinder auf ihren Schulwegen genauso wichtig wie parkfreie Radwege, damit Radfahrende nicht auf die Fahrbahn ausweichen müssen. Ein Handlungskonzept gegen zugeparkte Geh- und Radwege gibt es in Bochum nicht. Das überarbeitete Vorbehaltsstraßennetz mit den Straßen auf denen weiter Tempo 50 gelten soll ist nicht im Zusammenhang mit der Förderung eines sicheren Radverkehrs gedacht. So wäre beispielsweise die Bergstraße am Stadtpark eine wichtige Fahrradstrecke, auch weil hier viele Schulen und Freizeiteinrichtungen erreicht werden. Durch die geringe Straßenbreite kommt es
ständig zu gefährlichen Situationen zwischen Pkw- und Radverkehr, die durch Tempo 30 zumindest entschärft werden könnten. Hier wird das Vorbehaltsnetz wieder vom Autoverkehr aus gedacht. Die Einbeziehungen von Bürger*innen bei Planungsvorhaben und Klimaschutz scheinen bisher eher auf eine symbolische Außenwirkung zu setzen und nicht darauf ausgerichtet zu sein, die in diesen Foren gemachten Vorschläge für eine klimaneutrale Stadt auch wirklich umzusetzen.
Der Umgang der Stadtverwaltung mit dem Radentscheid war nicht besonders zufriedenstellend. In anderen Städten sind ganz ähnlich formulierte Anträge vom Rat ohne die Durchführung eines Bürgerentscheids übernommen worden. Das Angebot der SPD, einzelne Forderungen des Radentscheides zu übernehmen (auch in dem jetzt beschlossenen gemeinsamen Handlungskonzept des Rates zum Radverkehr) setzt nur einen Teil der für Bochum notwendigen Maßnahmen um, um möglichst bald zu einer wirklichen Förderung des Radverkehrs und einem klimaverträglichen Verkehr
zu kommen. Verbesserungen, die in anderen Kommunen längst zum Standard gehören, werden als große Entwicklung dargestellt, Umbauten von Radwegekilometern schön gerechnet, in dem beide Straßenseiten gezählt werden und somit der Umbau „doppelt“ gezählt wird. Bochum hat als Autostadt lange den Radverkehr vernachlässigt und es besteht Nachholbedarf. Wir würden uns freuen, wenn Sie in Ihrer Rolle als (zukünftige) Mitglieder das Landtages sich dafür einsetzen würden, die Verkehrswende auch in Bochum möglich zu machen und entsprechend auf die SPD-Vertreter*innen im Rat und auf die Stadtverwaltung mit entsprechenden Leitlinien Einfluss nehmen.
Wir würden uns gerne mit Ihnen über die SPD-Verkehrspolitik in Stadt und Land austauschen. Auf einen Brief des VCD-Bochums zur Fahrradpolitik in Bochum an die SPD-Vertreter*innen im Rat vom Januar 2022 hat die Ratsfraktion bisher nicht reagiert. Wir hoffen, dass mit der Wahl auf Landesebene auch für Bochum neue Impulse entstehen können.

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