Bahn & Bus
Landesverband NRW
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) NRW begrüßt sehr, dass mit dem Antrag der Grünen eine Diskussion um die langfristige Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs im Land angestoßen wird.
Diese ist lange überfällig, denn:
Beispiele für nach unserer Meinung falsche Anreize:
In Düsseldorf wurden seit 2000 die öffentlichen Parkgebühren um ca. 25% gesenkt, VRR-Kunden mussten im gleichen Zeitraum aber ca. 44% mehr bezahlen. In Münster wurden 1999 auf Betreiben der CDU/FDP-Koalition im Stadtrat die Parkgebühren gar halbiert.
Die Gleichung Mehr Geld = besserer Nahverkehr stimmt nicht automatisch.
Viel Geld wird durch U-Bahn-Bau und Bahn-Großprojekte verbraucht, mit hohen Folgekosten und häufig zweifelhaftem Nutzen. Aktuell stehen Projekte wie Stuttgart 21, die Strecke Nürnberg - Erfurt und die Y-Trasse Hamburg - Hannover bundesweit in der Diskussion, deren hoher Mittelbedarf in Milliardenhöhe andere Bahnprojekte in ganz Deutschland, auch in NRW, gefährdet.
Aber auch bei NRW-Projekten ist der Nutzen nicht so eindeutig: Bei der Düsseldorfer Wehrhahnlinie wurden in der standardisierten Bewertung die durch wegfallende direkte Straßenbahnverbindungen entstehenden Nachteile schlicht ignoriert, um eine positive Bewertung zu sichern. Und wie die angeblich in die Bundesförderung aufgenommene Messe-Umfahrung in Düsseldorf eine positive Bewertung erhalten hat, konnte die Stadt trotz mehrfacher Nachfragen dem VCD bis heute nicht mitteilen. Bei Projekten über 50 Mio. Euro sollte in unabhängiges Gutachten unter Einbeziehung z.B. von Fahrgastverbänden für die Beurteilung der innhaftigkeit eines Projekts obligatorisch sein. Die Bewertung durch den Antragsteller selbst und die formale Prüfung durch den Zuwendungsgeber sind offensichtlich nicht ausreichend, und wir können uns große Fehlinvestitionen nicht mehr leisten. Provokativ gesagt: Bei einigen Stadtbahnstrecken kann es sogar aus wirtschaftlicher und Kundensicht die bessere Lösung sein, die Tunnel wieder zuzuschütten und eine hochwertige oberirdische Trasse neu einzurichten als marode und schlecht erreichbare unterirdische Trassen aufwändig zu sanieren. Ein effizienter Mitteleinsatz ist angesichts der knappen Kassen unverzichtbar. Wir brauchen nicht in erster Linie neue Trassen und Hochgeschwindigkeit, sondern ein kundennahes Angebot mit dichtem Takt und vielen Direktverbindungen, intelligenter Trassennutzung und optimiertem Umsteigen. Die Beschleunigung des Straßen-ÖPNV und eine Umlaufoptimierung sparen mittelfristig sogar Kosten ein, anderes wie Fahrgastinformation (z.B. das Einzeichnen von Bahn- und Buslinien in städtischen Karten) oder Anschlussoptimierung kann z.T. kostenneutral verwirklicht werden. Notwendig ist hier konsequent kundenorientiertes Denken, das in manchen öffentlichen Organisationen noch nicht ausreichend stattfindet. Wieder andere Maßnahmen wie Abfahrtsanzeigen oder stufenloser Einstieg sind dagegen nicht ohne investive Vorleistungen zu machen.
Überhöhte Zahlungen an den Nahverkehrskonzern DB im VRR, die wettbewerbsrechtlich kritisch zu sehen sind, sind ebenfalls ein Faktor ineffizienter Mittelnutzung. Vor diesem Hintergrund hat der VCD NRW die Bemühungen des VRR begrüßt, hier auch gerichtlich eine Klärung herbeizuführen. Die im ÖPNV-Gesetz vorgesehene Revision der Grundlagen für die Verteilung der Regionalisierungsmittel sollte durchgeführt werden, in dem etwa mehrere Varianten mit unterschiedlichen Gewichtungen einzelner Faktoren landesweit zur Diskussion gestellt werden. Bei der Planung für das Projekt Rhein-Ruhr-Express sollte darauf geachtet werden, dass diese betreiberneutral erfolgen und mit den Ausschreibungsfahrplänen der SPNV-Aufgabenträger in Übereinstimmung gebracht werden.
Mehr Mittel sind erforderlich, sie sind aber im Sinne der in 2. geschilderten Überlegungen effizient und kontrolliert einzusetzen. Der ÖPNV sichert örtliche Arbeitsplätze langfristig und reduziert gleichzeitig die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Er ist deshalb ein gutes Feld für Konjunkturmaßnahmen, wurde bisher dabei aber kaum berücksichtigt. Der VCD NRW hat daher kein Verständnis dafür, dass der kommunale öffentliche Verkehr beim Konjunkurpaket II ausdrücklich ausgeschlossen wurde und die Landesregierung nicht darauf gedrungen hat, dass dies geändert wird. Bei zukünftigen Programmen sollte die Landesregierung daher frühzeitig gegenüber dem Bund den Bedarf im ÖPNV deutlich machen. Zur Zeit werden außer Pflichtleistungen für den Schülerverkehr keinerlei Landesmittel für den ÖPNV verwendet, während früher Hunderte Mio. DM zur Verfügung standen. Selbst die Komplementärmittel des Landes für GVFG-Projekte sind wiederum Bundesmittel. Hier kommt das Land seiner Verantwortung nicht nach. In diesem Zusammenhang ist erneut kritisch darauf hinzuweisen, dass die nordrheinwestfälische Landesregierung anders als andere aus den zusätzlichen Einnahmen der Mehrwertsteuererhöhung (nach Angaben des Finanzministeriums allein für NRW im ersten Jahr etwa 1,4 Mrd EUR!) nicht einen Cent in den öffentlichen Verkehr investiert hat. Angesichts einer solchen Politik fragen wir uns schon, welche Glaubwürdigkeit etwa ein - durchaus ambitioniertes - Klimaschutzkonzept hat, wenn man im zentralen Handlungsfeld Verkehr nicht gewillt ist, zusätzliche Mittel bereit zu stellen.
Zumindestens für ein attraktives Angebot und Investitionen im regionalen Eisenbahnverkehr müssten die - nach den Kürzungen der Vorjahre jetzt immerhin wieder steigenden - Regionalisierungsmittel ausreichen, jedenfalls dann, wenn sie vorrangig dafür eingesetzt werden und bahnfremde Aufgaben stärker mit Landesmitteln finanziert werden. Dringend erforderlich ist dazu aber auch, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene für geringere Trassenpreise und Stationsgebühren einsetzt. Der VCD begrüßt die Vereinbarung zwischen CDU und Grünen über ein Sozialticket im VRR, hält das aber ohne finanzielle Beteiligung des Landes für nicht bezahlbar, und es darf auch nicht auf den VRR beschränkt bleiben. Ohne eine Landesbeteiligung drohen massive Preissteigerungen oder Angebotseinschränkungen, beides wäre kontraproduktiv. Von hoher Bedeutung ist eine ausreichende Ausgleichsleistung für den Schülerverkehr, insbesondere im ländlichen Raum, der weniger auf Investitionen als auf Betriebsmittel angewiesen ist. Preiswerte Schülertickets (SchokoTicket) werden bisher nicht angemessen im Ausgleich einbezogen, auch müssen künftig zurückgehende Schülerzahlen berücksichtigt werden, was die Kosten pro Schüler u.U. erhöht. Angesichts der Unterfinanzierung des Bundesverkehrswegeplans und Pressemeldungen, dass diverse Projekte (auch in NRW) auf absehbare Zeit nicht realisierbar seien, ist mit dem Bund izu klären, wie die Zukunft des RRX und anderer Bundes-Bahnprojekte aussieht (vgl. 4.). Generell sind Mittel für die Sanierung und den behindertengerechten Umbau von Stadtbahn- und Eisenbahnstrecken vordringlich, außerdem auch für die Reaktivierung einiger gut bewerteter Bahnstrecken: Ratinger Weststrecke Duisburg - Ratingen West - Düsseldorf, Bottrop - Herten - Recklinghausen. Eine hohe Wirksamkeit haben daneben Programme zum Abbau von Störungen im Verkehr (Leitsysteme, Ampelvorrang, separate Fahrspuren etc.). Hilfreich sind zudem Anzeigesysteme mit tatsächlichen Abfahrtszeiten. Der tatsächliche ÖPNV-Mittelbedarf sollte in einem neutralen Gutachten ermittelt werden, wie es der Antrag fordert. Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger brauchen mittelfristige, d.h. mindestens 5-jährige Sicherheit über die finanziellen Rahmenbedingungen, um planen zu können. Lösungen müssen für diejenigen Kommunen gefunden werden, die eine Komplementärfinanzierung nicht leisten können oder dürfen. Die öffentlichen Mittel sind zwar knapper geworden, dass „kein Geld da“ ist, stimmt aber nicht. Es geht immer um Prioritäten, also darum, wofür man Geld ausgeben will, und Parteien, die sogar noch Spielraum für Steuersenkungen sehen, können nicht glaubwürdig mit leeren Kassen argumentieren.
Ein rein nachfrageorientiertes Angebot an Bahnen und Bussen ohne Wachstumsziele reicht nicht, denn es können und sollen mehr Fahrgäste erreicht werden, bei einer deutlichen Verschiebung der Modal-Split-Anteile vom MIV zum ÖV. Eine stark angebotsorientierte Strategie nach dem Motto „wenn wir viel fahren, werden auch viele mitfahren“ ist wirtschaftlich riskant und zu undifferenziert. Notwendig ist demgegenüber eine potentialorientierte Politik, d.h. es müssen Nachfragepotentiale ermittelt und daraus die notwendigen Kapazitäten und Anforderungen an das Netz abgeleitet werden. Flankierende Maßnahmen müssen dann die politisch gewollte stärkere Nutzung des ÖPNV unterstützen wie z.B. Vorrangmaßnahmen im Straßenraum, Parkraumbeschränkungen, die Förderung ergänzenden CarSharings. Hierdurch kann auch die Wirtschaftlichkeit der Verkehrsunternehmen gestärkt werden, wenn störungsfreier Verkehr Kosten spart und andererseits Zahl der Fahrgäste und Einnahmen erhöht.
Der VCD NRW ist der Meinung, dass eine Verbesserung des Nahverkehrs-Angebots auf der „RRX-Achse“ Köln – Düsseldorf – Essen – Dortmund und den zulaufenden Strecken auch heute schon möglich und nötig ist. Wir dürfen nicht auf die große RRX-Lösung in 15 oder mehr Jahren warten, sondern es sollten wirksame Kapazitätserweiterungen und Angebotsergänzungen JETZT in Angriff genommen werden. Ziel sollte sein, dem MIV-Wachstum präventiv zu begegnen. Wer zumal angesichts schlechter Erfahrungen schon "im Auto sitzt", ist anschließend um so schwerer für den ÖPNV zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund stellt das jetzt ausgehandelte und nach Gesprächen der SPNV-Aufgabenträger nochmals verbesserte RE-Konzept zum Fahrplanwechsel 2010 einen wesentlichen Fortschritt im SPNV-Angebot an Rhein und Ruhr dar, der auch entsprechend kommuniziert werden sollte. In Darstellungen zum RRX wird übrigens häufig suggeriert, dass der heutige Nahverkehr unzumutbar ist und erst mit dem RRX eine brauchbare Qualität entsteht. Das ist nicht nur falsch, sondern auch eine unnötige Anti-Werbung für den ÖPNV.
Für den VCD NRW hat Priorität der Ausbau der Infrastruktur Duisburg - Düsseldorf sowie in den Knoten und die Strecke Lünen - Münster. Angesichts der Diskussionen auf Bundesebene um mögliche Verzögerungen bei der Umsetzung sollte die Landesregierung deutlich machen, welch große auch bundesweite Bedeutung für die Stabilität des SPFV diese Maßnahmen haben. Bei einzelnen Planungen sollte demgegenüber zumal angesichts nicht absehbarer Finanzierung durchaus Bereitschaft sein, diese zu modifizieren, wenn sie nicht nur teuer, sondern auch aus Fahrgastsicht kritisch zu hinterfragen sind (vgl. die Kritik von VCD und Pro Bahn NRW an den Planungen zur Verdrängung von RE auf S-Bahn-Gleise sowie zur Umgestaltung in Dortmund Hbf mit Verlegung des RRX auf die hinteren Bahnhofsgleise mit extrem langen Umsteigewegen). Angesichts der anstehenden erneuten Kürzungen des SPFV-Angebotes auf der Mitte Deutschland-Bahn Rhein-Ruhr Paderborn - Kassel - Erfurt erinnert der VCD NRW darüber hinaus an die Wahrnehmung der grundgesetzlichen Verantwortung des Bundes auch für das Angebot im Fernverkehr. Insofern ist es zu begrüßen, dass die Landesregierung im Bundesrat für eine entspechende Initiative gestimmt hat. Da aber bis heute keine Bereitschaft des Bundes erkennbar ist, auf diesem Feld aktiv zu werden (z.B. durch Ausschreibung von Fernverkehrslinien), scheinen weitere Bemühungen auch der Landesregierung in den nächsten Jahren dringend geboten. Der VCD möchte als Fahrgastverband einige weitere qualitative Punkte nennen, die in ein Zukunftskonzept gehören, denn der finanzielle Bedarf ist aus quantitativen und qualitativen Zielgrößen für den ÖPNV abzuleiten: