Nordrhein-Westfalen

Nachhaltigkeitsstrategie NRW

Landesregierung NRW verabschiedet Nachhaltigkeitsstrategie

Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus zehn Fachverbänden begleitet auf der NRW Landesebene und auf der Bundesebene den Nachhaltigkeitsprozess.

Am 3. Juli 2016 beschloss die NRW-Landesregierung eine überarbeitete und erweiterte Nachhaltigkeitsstrategie für NRW. Ende September 2016 wird die neue NRW Nachhaltigkeitsstrategie in Münster auf einer Tagung vorgestellt und deren Umsetzung diskutiert.

Im Vergleich zu dem Strategiepapier und dem ersten Strategieentwurf wurde der Bereich Mobilität/Verkehr in der verabschiedeten Nachhaltigkeitsstrategie deutlich besser bearbeitet - ist jedoch insgesamt noch nicht ausreichend und aufgrund fehlender Berücksichtigung bei den Indikatoren sind Entwicklungen noch nicht messbar.

(8) Nachhaltigkeitsstrategie NRW vom 3. Juli 2016
(9) Nachhaltigkeitsindikatoren NRW Bericht 2016
 

Mehr Mobilität, weniger Verkehr: Gemeinsam für zukunftsfähige nachhaltige Mobilität

Im Rahmen des Beteiligungsprozesses zur Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie hat sich im Bereich Mobilität / Verkehr eine Verbände-Arbeitsgruppe gebildet, die gemeinsame Stellungnahmen zur NRW und bundesweiten Strategie erarbeitet hat. Der folgende Artikel dokumentiert die Entwicklung der Zusammenarbeit.
 

Im Mai 2011 hat die frische rot-grüne Landesregierung beziehungsweise das Verkehrsministerium eine Mobilitätsfachkonferenz „NRW.Bewegen“ in der Rheinterrasse in Düsseldorf durchgeführt, „um im Dialog neue, praktikable Wege für nachhaltige Mobilität zu finden“. „600 Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kommunen und Verwaltung“, zu denen bereits mehrere Teilnehmer der späteren NRW Verbände AG Mobilität/Verkehr gehörten, haben in Arbeitsgruppen einen Katalog von engagierten Maßnahmen zur Verbesserung der Mobilität in NRW erarbeitet. Im September 2011 folgte der internationale Mobilitätskongress „Traffic Talks“ in Bonn - mehr als 1.000 Teilnehmer aus dem In- und Ausland diskutierten „über die Herausforderungen einer nachhaltigen Mobilitätssicherung und die zentralen Aufgaben der Bahn- und Verkehrswirtschaft“.

Nach der Wiederwahl im Mai 2012 fand bereits am 21. November mit großem Zuspruch die erste Tagung „Nachhaltiges Nordrhein-Westfalen – Wege in eine nachhaltige Zukunft“ in Duisburg mit Beteiligung der Schulministerin Silvia Löhrmann, des Umweltministers Johannes Remmel („wir haben uns vorgenommen, den Agenda-21-Prozess neu zu beleben und eine NRW-Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten“) und des neuen Verkehrsministers Michael Groschek statt. Groschek schilderte in seinem Vortrag die Herausforderungen und Chancen, die sich für Stadtteilentwicklung und Verkehrsplanung im Nachhaltigkeitskontext ergeben. Im April und September 2013 fanden anschließend zwei Fachforen statt, bei denen sich 150 Akteure aus Verbänden und Kommunen zur strukturellen und inhaltlichen Entwicklung der landesweiten Nachhaltigkeitsstrategie einbringen konnten. Beim 2. Fachforum am 13. September 2013 im Wissenschaftspark Gelsenkirchen wurde als eine von sechs „großen gesellschaftlichen Herausforderungen“ (gemäß Leitinitiative Innovationsunion im Rahmen der Europa 2020 - Strategie sowie der NRW-Forschungsstrategie „Fortschritt NRW - Fortschritt und Innovation für nachhaltige Entwicklung“) auch der Bereich „intelligente, umweltfreundliche und integrierte Mobilität“ von den Teilnehmern bearbeitet. In den Empfehlungen des Fachforums wurde der Bereich Mobilität/Verkehr später als einer „der zentralen Sektoren zur Erreichung der Klimaschutzziele des Landes“ bezeichnet.

Kurze Zeit später im November bei der 2. NRW Nachhaltigkeitstagung im Landtag in Düsseldorf wurden die „zunächst 14 zum Teil eng miteinander verbundene[n]“ Handlungsfelder, auf die sich die Landesregierung verständigt hat und die im Rahmen des Strategieprozesses betrachtet werden sollen, vorgestellt. Von dem oben zitierten Bereich Mobilität wurde nur der Teilbereich „Nahmobilität“ aufgeführt. Zudem wurde vor der Aufzählung noch betont: „Dabei soll, wo immer möglich, auf bestehende, zum Teil schon ressortübergreifende Strategien und Prozesse aufgebaut werden“. … „Im Rahmen der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie sollen die aufgeführten Handlungsfelder nicht isoliert, sondern vernetzt betrachtet werden. Genauso sollen andere bereits begonnene, aber auch erst in der Planung befindliche landesweite Strategien, Maßnahmenpakete und Handlungskonzepte in den Rahmen einer Landes-Nachhaltigkeitsstrategie gestellt werden“.

Ein erstes Strategiepapier

Nach diesem Beteiligungsprozess legte die Landesregierung im Juni 2014 ein erstes Strategiepapier „Auf dem Weg zu einer Nachhaltigkeitsstrategie für Nordrhein-Westfalen“ (1) vor. Es sollte laut der Einleitung „erste Überlegungen darstellen, in welcher Weise und auf welchen Handlungsfeldern die Landesregierung die großen gesellschaftlichen Herausforderungen angehen will“. In dem Strategiepapier wurde unter II. „große gesellschaftliche Herausforderungen“ als eine von neun Herausforderungen der Bereich „leistungsfähige, umweltschonende, energieeffiziente und sicher Mobilität“ aufgeführt. Jedoch wurde anschließend weder bei den Handlungsfeldern noch bei den Querschnittsthemen der Bereich Mobilität und Verkehr berücksichtigt. Unter den Themen „Klimaschutz“, „Energiewende“, „Nachhaltiges Wirtschaften“, „Schutz natürlicher Ressourcen“, „Demografie“, „Nachhaltige Stadt- und Quartiersentwicklung“ war kein Bezug zu Mobilität oder Verkehr zu finden. Lediglich unter „Nachhaltiger Konsum / nachhaltige Lebensstile“ wurde bei „wichtige Themen“ am Satzende nach Recycling noch „individuelle Mobilität und alternative Nutzungskonzepte“ aufgeführt. Ebenso waren auch die Ziele des Klimaschutzplans zur Veränderung des Modal Split zugunsten von Bahn und Bus, der Fahrradnutzung und zur Förderung des Fußverkehrs nicht aufgeführt.

(1) Strategiepapier „Auf dem Weg zu einer Nachhaltigkeitsstrategie für Nordrhein-Westfalen

Aufgrund dieser Entwicklung erstellte der VCD Landesverbands NRW spontan eine Stellungnahme zu dem Strategiepapier (2) und stimmten den Text mit Kolleginnen und Kollegen der NRW Landesverbände vom BUND, ADFC und PROBAHN ab. Zudem wurde ein erster ergänzender Fachbeitrag (3) zu dem Themenfeld Mobilität/Verkehr gemeinsam erstellt, um gegen dieses unzureichende und lückenhafte erste Strategiepapier konkrete Inhalte zu setzen und den Stellenwert des Strategieprozesses zu betonen.

Am 6. September 2014 wurde zudem die Stellungnahme der Landesdelegiertenversammlung (LDV) des VCD in Essen vorgestellt, die daraufhin folgende Resolution beschlossen hat:

„Die Landesdelegiertenversammlung des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) NRW stellt mit Erstaunen fest, dass in dem Strategiepapier der Staatssekretärskonferenz vom 23.06.2014 zur Nachhaltigkeitsstrategie des Landes NRW das Thema Mobilität weitestgehend fehlt. Wir fordern, dass die Landesregierung das Themenfeld Mobilität seiner hohen Bedeutung entsprechend in der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes berücksichtigt.“

Die Resolution wurde an die Stellungnahme angefügt. Der gemeinsame Fachbeitrag wurde als Diskussionspapier für die weitere Prozessbegleitung in den Folgemonaten in den verschiedenen Landesverbänden diskutiert und Stück für Stück erweitert - beim VCD im Rahmen eines Aktiventreffs in Bochum.

(2) Gemeinsame Stellungnahme NRW Verbände VCD, BUND, PRO BAHN, ADFC
(3) Ergänzender Beitrag Mobilität/Verkehr
(4) Ergänzung ADFC NRW

Der erste Strategieentwurf

Im Sommer 2015 erschien der erste Entwurf der NRW Nachhaltigkeitsstrategie (5) - bei einem Arbeitsgruppentreffen im Umweltzentrum Düsseldorf wurde der Prozessablauf durch einen Vertreter des Umweltministeriums erläutert, der Text der Strategie vorgestellt und in der NRW Verbände AG diskutiert. Auf Basis des gemeinsam weiterentwickelten Fachbeitrags, der Diskussionen in den verschiedenen Verbänden und den hieraus resultierenden Rückmeldungen wurde durch den VCD NRW eine Stellungnahme zum ersten Entwurf der NRW Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und in mehreren Stufen abgestimmt. Parallel wurden weitere Verbände in NRW angesprochen und in den laufenden Abstimmungsprozess eingebunden. Neben den Landesverbänden des Verkehrsclub Deutschland VCD NRW, des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND NRW, PRO BAHN NRW und des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club ADFC NRW beteiligten sich anschließend auch der Naturschutzbund NABU NRW, das Elektromobilitätsnetzwerk ruhrmobil-E e.V., der Auto Club Europa e.V. ACE und der Landesjugendring NRW. An der späteren Stellungnahme für die Bundesebene beteiligten sich zudem der Landesverband NRW der Regionalbewegung und der Fachverband Fußverkehr Deutschland Fuss e.V.

Außerdem wurde der VCD NRW zur Optimierung der Zusammenarbeit mit weiteren Verbänden, Kommunen und Institutionen Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft "LAG Agenda21 NRW" und hat sich dort an den Treffen des Fachforums Nachhaltigkeit beteiligt. Die Stellungnahmen der Verbände-Arbeitsgruppe Mobilität/Verkehr sind mit in die Stellungnahmen des Fachforums Nachhaltigkeit der LAG21NRW mit eingeflossen.

Die Stellungnahme (6) und der Fachbeitrag wurden nach dem Abstimmungsprozess Ende Oktober bei der Nachhaltigkeitstagung im NRW Landtag in Düsseldorf vorgestellt und mit Teilnehmern der Tagung diskutiert. Da der Zeitrahmen der bisherigen Fachforen und Tagungen eine ausführliche Bearbeitung und Diskussion des Themas Mobilität / Verkehr im bisherigen Prozess nicht zuließ, forderte die Arbeitsgruppe zudem die Einrichtung einer Arbeitsgruppe "Nachhaltige Mobilitäts- und Transportstrategie", die das Thema als zusätzliches Handlungsfeld bearbeitet und die vielfältigen Bezüge zu den verschiedenen Querschnittsthemen herstellt. Anfang Dezember wurde der fertige Beitrag (7) an das zuständige NRW Umweltministerium geschickt und in den NRW Beteiligungsprozess eingebracht.

(5) Link zum 1. Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie NRW
(6) Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie NRW
(7) Ergänzender Beitrag zur Stellungnahme zum Entwurf Nachhaltigkeitsstrategie NRW

Bundesebene

Parallel zum Beteiligungsprozess in NRW wurde seit der Konferenz in New York im September 2015 auf Basis der neuen Agenda 2030 auf der Bundesebene die Entwicklung einer Neuauflage der "Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie" (NHST) durch das Bundeskanzleramt begonnen. Die NRW-Arbeitsgruppe beteiligte sich an dem Workshop Anfang Dezember 2015 zur Strategieentwicklung in Bonn, erläuterte an einem Infotisch die NRW Stellungnahme zur Nachhaltigkeitsstrategie und erstellte anschließend eine erweiterte auf die Bundesebene bezogene Stellungnahme der NRW Verbände zum bundesweiten Beteiligungsverfahren - Ende Januar 2016 wurde die Stellungnahme nach weiteren Abstimmungen an das zuständige Bundeskanzleramt verschickt.

(10) Beitrag der AG Mobilität zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie
(11) Ergänzender Fachbeitrag als Erläuterung und Dialog-Basis der Stellungnahme

Bundesverkehrswegeplan

Mitte März 2016 stellte das Bundesverkehrsministerium den Entwurf eines neuen Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP) für Bundesfernstraßen, Bundesschienenwege und Bundeswasserstraßen vor, der „als zentrales Element der Infrastrukturplanung“ „wichtige verkehrspolitische Weichen für den Planungshorizont bis 2030“ (12) stellt. Die gesetzlich vorgeschriebene „Strategische Umweltprüfung“ ermöglichte Personen, Institutionen und Verbänden sich zu dem BVWP und dem zugehörigen Umweltbericht zu äußern sowie inhaltlich Umweltfolgen, Gesundheitsrisiken, die Berücksichtigung des Mobilitätswandels und die daraus resultierenden Anforderungen an den BVWP (z.B. im Bereich des Radverkehrs oder in Bezug auf die Vielfalt neuer Mobilitätsangebote) als auch die damit verbundenen neuen Möglichkeiten einer nachhaltigeren Erledigung von Mobilitätsbedarfen zu reflektieren. Mehrere Fachverbände dieser Stellungnahme haben - trotz des auch dort zu geringen Zeitrahmens - an dem Beteiligungsverfahren mit allgemeinen Beiträgen zum Entwurf des BVWP und bezogen auf konkrete Projektideen mitgewirkt.  
 
„Im Ergebnis stellte die Verbände AG fest, dass der BVWP in seiner jetzigen Form wichtige o.g. Grundsätze einer nachhaltigen Verkehrspolitik in nicht ausreichendem Maße berücksichtigt. Nach wie vor orientiert sich der BVWP als „Verkehrswegeplan“ an der Infrastruktur. Notwendig wäre daher, auch hier den Wandel von der Verkehrsplanung zur Mobilitätsplanung zu vollziehen und den BVWP zu einem „Bundesmobilitätsplan“ weiterzuentwickeln.“
 
In Bezug auf die NHST entwickelte sich daraus die Idee, das der Bundesverkehrswegeplan in einer weiterentwickelten Form ein sinnvoller Bestandteil einer Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie werden könnte - mehrere Akteure der Verbände AG verfassten daher zum BVWP 2030 eine ergänzende Stellungnahme zur NHST:

„Eine deutsche Nachhaltigkeitsstrategie sollte die Entwicklungen im Bereich Verkehr und Mobilität beschreiben sowie analysieren als auch quantifizierte und terminierte Ziele benennen. Zusätzlich sollten sinnvolle Indikatoren entwickelt werden, anhand derer eine Zielerreichung nachvollzogen und gesteuert werden kann. Der BVWP könnte, in einer für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie erweiterten neuen Form (zusammen mit einem gemeinsamen qualifizierten Indikatoren-Katalog von Bund und Ländern), als langfristig prozessbegleitendes Instrument für die Zielverfolgung, Steuerung und Harmonisierung der verschiedenen Ebenen dienen.“

„Der BVWP und entsprechende Indikatoren sollen hierbei in der Zukunft helfen ein integratives und querschnittsbezogenes Denken auf den verschiedenen Ebenen zu ermöglichen / zu verankern und die verschiedenen Akteure enger miteinander zu verknüpfen. Eine Zusammenstellung von Kommentaren sowie Reflexionen zum BVWP als auch aktuelle Studien im Anhang dieser Stellungnahme sollten aufzeigen in welchem Umfang der Bundesverkehrswegeplan 2030 den Anforderungen an eine zukunftsfähige Infrastrukturplanung bereits entspricht und in welchen Bereichen die bestehende Planung nicht ausreicht und als Umsetzungsinstrument der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie überarbeitet bzw. erweitert werden sollte.“

"Neuauflage 2016"

Ende Mai erschien etwas überraschend bereits der Entwurf zur "Neuauflage 2016" der Deutschen NHST. Da die Stellungnahme vom Januar zwar an das zuständige Ministerium weitergeleitet jedoch in der "Neuauflage 2016" nicht berücksichtigt wurde erstellte die AG eine Erweiterung der Stellungnahme zur "Neuauflage 2016" der NHST bezogen auf den BVWP und mit weiteren konkreten Beispiele zu den neuen Sustainable Development Goals der Agenda 2030. Da ähnlich wie in NRW in dem bisherigen Prozess zur Neuauflage der Nachhaltigkeitsstrategie der Themenbereich Mobilität und Verkehr zur Strategiefortentwicklung auch bei den Tagungen nicht ausreichend behandelt wurde, empfahl die AG in der Stellungnahme ebenfalls die Einrichtung einer prozessbegleitenden Arbeitsgruppe "Nachhaltige Mobilitäts- und Transportstrategie" und die Durchführung mehrerer Fachforen zu den zentralen Themenschwerpunkten. Die Erweiterung wurde Mitte Juli 2016 per Mail als Beitrag zur „Neuauflage 2016“ der NHST eingereicht.

(12) Erweiterung der Stellungnahme der NRW AG Mobilität/Verkehr zur Neuauflage 2016 der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie
 
Ansprechpartner des Landesvorstand VCD NRW e.V.: Rolf Mecke